Als Taucher bleiben wir Gäste im Meer. Denn irgendwann zwingt uns der schwindende Luftvorrat zurück an die Wasseroberfläche. Erfüllt versuchen wir uns, so detailliert wie möglich einzuprägen, was sich auf diesem Tauchgang offenbart hat, um so Stück für Stück das Riff und seine Bewohner näher kennenzulernen. Ein Tanz mit Mantas und andere Begegnungen auf Augenhöhe brennen sich direkt tief ins Gedächtnis und lassen selbst in der Erinnerung noch unsere Herzen aufgehen.
Süchtig nach Meer können wir unser nächstes Inselabenteuer auf Sint Eustatius kaum erwarten (Go Statia: Why to visit this Dutch Caribbean island) und erinnern uns bis dahin an besondere Taucherfahrungen und Besuche bei Freunden.
Manta, Manta!
Noch heute schwärmt Yoeri von einem Unterwassertanz , bei dem ein Manta ganz selbstverständlich die Führung übernommen hat. Als er, damals als Videograf auf einem Safarischiff im Roten Meer tätig, auf einem Tauchgang an Small Brother Island im Norden der Insel ins Wasser sank, sah er zwei Mantas etwas weiter entfernt vom Riff. Kurzentschlossen gesellte er sich zu ihnen, dicht gefolgt von zwei Tauchgästen des Schiffs.
Gemeinsam bestaunten sie, wie elegant die Mantas dem kleinen Trupp entgegen schwebten. Die großen, rautenförmigen Rochen mit stark abgeflachten Körpern werden nicht umsonst fliegende Teppiche genannt. Ihr Name geht auf das spanische Wort „manta“ für Decke zurück. Mit minimalen Flossenschlägen umkreisten sie die Taucher, drehten Loopings und posierten immer wieder mit und für die Kameras, während die Strömung den ausgelassenen Pulk im Blauwasser nach Süden trug.
Über das Leben der Mantas
Ein Riffmanta (Mobula alfredi formally know as Manta alfredi) wird von der Kopf- bis zur Schwanzspitze maximal fünf Meter, während die Spannweite von einem Flossenende zum anderen bis an die fünf Meter fünfzig heranreichen kann. Zum Vergleich beim Riesenmanta (Mobula birostris ehemals Manta birostris) sind dies sieben Meter, ausgewachsen bringt so ein Tier zwei Tonnen auf die Waage. Trotzdem ernähren sie sich ausschließlich von Plankton. Während sie mit aufgerissenem Maul in die Strömung schwimmen, nutzen ihre beiden Kopfflossen, um zusätzliches Wasser durch die Kiemen laufen zu lassen, wobei das Plankton herausgefiltert wird. Bei wenig Strömung steigen sie von unten auf, um das planktonreiche Wasser nahe der Oberfläche in vollen Zügen zu genießen. Bis sie genug gefressen haben, ziehen sie ihre Kreise, so dass auch Schnorchler in den Genuss kommen, Mantas zu beobachten.
Mantas sind für den Menschen vollkommen ungefährlich, da sie im Gegensatz zu anderen Rochenarten keinen Giftstachel besitzen. Wobei wir betonen möchten, dass es sich bei den übrigen Rochen keineswegs um kaltblütige Killer hendelt, die es auf Menschen abgesehen haben. Nur wenn eine Flucht unmöglich ist, werden sie zur Waffe greifen. So erging es dem „Crocodile Hunter“ Irwin, der sich in seinen Fernsehprogrammen gerade dadurch auszeichnete, dass er unbefangen – man könnte auch sagen risikoreich – mit Wildtieren umging. Bedrängt für die kommende Fernsehsendung setzte sich ein Stachelrochen Wehr. Da sein Stachel direkt in die Brust des 44-jährigen Australiers eindrang, erlitt dieser 2006 noch an Ort und Stelle einen Herzstillstand. Respektvoller Umgang mit allen Lebewesen und Kenntnisse über das Verhalten von Tieren sichern nicht nur bei Stachelrochen das Überleben beiderseitige Überleben.
Über das Leiden der Mantas
Wie alle Rochen zählen Mantas, genauso wie Haie, zu den Knorpelfischen. Haie werden wegen ihrer Flossen gejagt, die ihnen an Bord der Schiffe vom Leib geschnitten werden, um die Haie anschließend – noch lebend – wieder zurück ins Meer zu werfen, wo sie bewegungsunfähig verenden. Genauso wie andere Meerestiere fallen Haie und Mantas Stell- oder Treibnetzen sowie Langleinen zum Opfer und sind zusätzlich durch die Verschmutzung der Meeres sowie die generelle Überfischung bedroht. Doch Mantas werden auch ganz gezielt mit Harpunen gejagt. Weniger, um ihr Fleisch zu essen oder aus der Haut Schleifmittel herzustellen, sondern vor allem wegen ihrer Kiemen, die angeblich einen medizinischen Nutzen haben sollen.
Seit 2020 werden Mantas in der roten Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature) von der Kategorie „gefährdet“ auf „stark gefährdet“ geführt (dazu Marine Mega Fauna). Erst mit fünf Jahren erreichen Mantas ihre Geschlechtsreife. Nach der Paarung wächst das Jungtier in einem Ei im Mutterleib heran, wobei es sich vom Eidotter ernährt, bis es nach dreizehn Monaten mit einer Flossenspannweite von über einem Meter endlich das Licht des Meeres erblickt. Wie alt Mantas werden, ist bisher – wie bei vielen Unterwasserlebewesen – noch nicht bekannt. Ihre geringe Fortpflanzungsrate, typisch für Knorpelfische, macht sie in jedem Fall besonders anfällig dafür, schnell an den Rand der Ausrottung gebracht zu werden.
Ihre eigene Verteidigung gegen natürliche Fressfeinde, eigentlich nur große Raubhaie, wie der Tigerhai, ist schlicht und einfach ihre Größe. Ein Hai kann vielleicht ein Stückchen aus einem Manta herausbeißen oder eher reißen, aber das bringt das Tier nicht zwangsläufig um. In Komodo sind mir an Putzerstationen, wo sich Mantas nicht nur große und kleine Wunden regelmäßig reinigen lassen, immer mal Tiere mit großen, doch bereits gut verheilten Bisswunden aufgefallen.
Tanz mit Mantas
Doch bevor wir in Komodo abtauchen, geht es zurück zu Yoeris Tanz mit Mantas. Während der größere der Beiden nach ein paar Saltos im tiefen Blau versank, konnte sich das zweite Tier, mit drei Metern noch ein Jungspund, genauso wenig von den Tauchern losreißen wie diese von ihm. Anders als heute, wo Yoeri mit einem Monitor auf dem Kameragehäuse filmt, was ihm erlaubt, wenigsten hin und wieder ein Auge auf die Umgebung zu werfen, filmte er damals durch einen Sucher. Ich stelle mir vor, wie er mit einem leichten Grinsen im Gesicht – bei einem richtigen Lächeln oder gar Lachen dringt durch die Lachfalten unter den Augen sehr leicht Wasser in die Maske – mit dem Manta durchs Freiwasser schwebte, dabei immer wieder Pirouetten und Überschläge drehte, um den Manta bloß nicht aus den Augen, ich meine, dem Sucher zu verlieren.
Unermütlich näherte sich der Manta. Mal von vorne, um im letzten Moment abzudrehen, mal riskierte er einen langen Seitenblick, nur um dann über Yoeris Kopf hinwegzuschießen und steil nach unten abzutauchen, ohne je das Blickfeld der Taucher zu verlassen. Hin und wieder streifte der Manta mit einer seiner Flossen den Videografen, fast so, als wollte er das andere Lebewesen, was da mit ihm spielte, richtig begreifen. Irgendwann neigte sich der Luftvorrat dem Ende entgegen. Doch wo war das Boot? Die Loopings hatten Yoeri das letzte bisschen seiner Orientierung geraubt, denn das Riff hatten sie direkt zu Beginn des Tauchgangs aus den Augen verloren.
Als er sich auf einmal zu allen Seiten umsah, anstatt weiter auf den Manta zu fokussieren, schwebte dieser auf ihn zu. Nach kurzem Blickkontakt zog der Manta langsam, aber bestimmt in eine Richtung davon. Yoeri und die zwei weiteren Taucher folgten ihm. Nach gut fünf Minuten erreichte die kleine Karawane die Schiffe, die im Süden der Insel auf ihre Tauchgruppen warteten. An Yoeris Safariboot angekommen machte der Manta noch eine letzte Rolle rückwärts und flog von dannen. Die Gäste waren schwer beeindruckt, wobei Yoeri ihnen gestand, dass er nicht wusste, wohin er sich wenden sollte, bis der Manta beherzt die Führung übernahm.
Mein erstes Mal
Meine ersten Mantas konnte ich im Dezember 2015 nur schemenhaft in den Gewässern von Komodo ausmachen. Zum Glück folgten noch viele weitere Tauchgängemit Mantass, insbesondere an den Plätzen Manta Point und Manta Island (Mauan), die mich jedes Mal aufs Neue begeistert haben. In kleinen Gruppen steuern die Mantas Putzerstationen an, um sich einer nach dem anderen von diversen flinken Mäulern Parasiten und Hautschuppen vom Leib picken zu lassen. Neben den kleinen klassischen Putzerlippfischen betätigen sich auch junge Falterfische und kleinere Lippfische an der Reinigung der Mantas.
Dafür vollführen diese eine Art Unterwasserballett. Einer nach dem anderen schwebt zu dem Korallenblock, wo sie sofort von fleißigen Helfer in Empfang genommen werden. Nach einer ersten Behandlung steigen sie auf, um dem darauffolgenden Manta Platz zu machen. Anschließend vollziehen sie einen großen Bogen, gerne einfach als Salto rückwärts, um sich wieder hinten in die Schlange einzureihen (zu sehen im Clip für Uber Scuba Komodo ab Minute 2:06). Ein eingespielter und harmonischer Ablauf, bei dem jeder Manta auf seine Kosten kommt.
Manchmal konnten wir in der Strömung, die je nach Gezeitenverlauf in den Kanälen zwischen den einzelnen Inseln ordentlich an Fahrt aufnimmt, sogar einen sogenannten Mantazug beobachten, wobei die Tiere aufgefächert wie ein Zugvogelschwarm einfach in der Strömung stehen, um sich das Plankton in die weit aufgerissenen Mäuler liefern lassen. Während die Mantas nach Lust und Laune sogar gegen solche Strömungen schwimmen konnten, mussten wir uns so stromlinienförmig wie möglich am Untergrund halten, um nicht einfach von der Strömung verweht zu werden.
Mit Freude am Leben
Dass es den Mantas nicht allein ums Überleben, sondern auch die pure Freude am Leben geht, sieht man ihnen an. Wobei sich die einzelnen Tiere in ihrem Verhalten und ihren Vorlieben unterscheiden und auch nicht jeder Manta jeden Tag gleich (gut) drauf sind. Das Höchste der Gefühle war für mich, wenn die Mantas ihrerseits Interesse zeigten. So wie bei Yoeri in Ägypten kamen sie an manchen Tagen so dicht an mich und meine Tauchgäste heran, dass die Spitze ihrer Flossen einen Kopf oder eine Schulter streiften konnte. Einige Exemplare möchten es, zum Abschluss ihrer Körperpflege ein kleines Bad in den von uns ausgestoßenen Luftblasen zu nehmen.
Meine eindrücklichste Begegnung ereignete sich jedoch nicht an einer Putzerstation sondern auf einem Strömungstauchgang. Während ich mit drei Gästen auf vielleicht sieben Metern an der Riffkante entlangschoss, kam uns auf einmal ein Manta entgegen. Nachdem er einem nach dem anderen in Augenschein genommen hatte, hielt er direkt auf mich zu. Um letzten Moment vollführten wir beide einen Salto rückwärts, wodurch wir für einen Moment Bauch an Bauch aneinander vorbeiglitten. Dieses Spielchen hatte ich bereits bei Mantas untereinander beobachtet und fühlte mich nun in ihre Familie aufgenommen.
Begegnungen auf Augenhöhe
Nach mehr als zehn Tauchgängen, bei denen Yoeri ausschließlich Mantas filmte, begannen wir uns für die Vielfalt an Kleinstlebewesen zu interessieren, die am Grund von Manta Point kreuchten und fleuchten. Als Yoeri eine der winzigen Nacktschnecken filmte und ich nach dem nächsten Objekt der Filmbegierde suchte, verdunkelte sich auf einmal die Szenerie. Ich brauchte einen Moment um zu verstehen, dass kein Gewitter aufgezogen war, sondern dass ein Manta direkt über mir schwebte. Er blickte mir eindeutig über die Schulter, ganz so als wolle er herauszufinden, was denn bitte dort so interessant wäre, dass ich ihn, den Manta, gar nicht beachtete. Obwohl sich dieses Spiel mit mehreren Mantas wiederholte und ich ansonsten weniger gut leiden kann, wenn sich jemand so in den Vordergrund spielt, nahm ich mir doch jedes Mal die Zeit, um nach oben zu blicken und so jedem Manta Liebe und Beachtung zu schenken.
Die Art, wie ein Manta durchs Wasser schwebt, um nicht zu sagen, fliegt, wirkt auf wundersame Weise sowohl hypnotisierend als auch animierend. Sie entwickeln, genauso wie Oktopusse, einfach wirkliche Persönlichkeit (Die Magie des Oktopus und die Faszination Manta). Zudem fühlt es sich so an, als könnten sie mit ihren großen, hervorstehenden Augen direkt in mein Herz schauen. Noch heute fühle ich mich beschenkt, so zu Gast bei Freunden (Warum ich tauchen liebe). Was will man Meer?
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Wer sich für den Schutz des Mantas und ihres Lebensraums einsetzen will, dem empfehlen wir, sich bei der britischen NGO Manta Trust umzusehen. Wir sind dieses Jahr dem Zyklon (The cyclone) beigetreten, um so dauerhaft wissenschaftliche Forschung und Artenschutz rund um diese zauberhaften Tiere zu unterstützen (Connect and protect to transform our world).
By joining The Cyclone, you’ll gain a front-row seat to our global conservation efforts. We want to introduce you to our manta family and show you the research we’re doing and why we’re doing it. We will share with you our discoveries and successes as they happen, as well as the challenges we face along the way.
Manta Trust: The cyclone
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