Ich liebe das Meer und all seine Bewohner. In diesem Sinne versuche ich jeden Tauchgang unvoreingenommen zu beginnen, mich einfach auf das zu freuen, was wohl kommen mag, um mit offenen Augen auch die Schönheit und das fotografische Potential der vermeintlich gängigen Unterwasserlebewesen wertzuschätzen. Doch natürlich gibt es Kandidaten, die eine besondere Magie auf mich ausüben und dazu gehören ganz klar Oktopus und Manta.
Zugleich gibt es unglaublich viel, was ich noch nie gesehen habe und sicher noch mehr, von dem ich noch nicht einmal weiß, dass es existiert. Genau das macht für mich die Faszination des Tauchens aus: Das Entdecken und lernen hört nie auf (Warum ich tauchen liebe). Alles verändert sich laufend und selbst an Plätzen, die man schon viele Male betaucht hat, weiß nie genau, was einen erwartet.
Vorgeschichte: Nicht Fleisch …
Ich habe als Kind eigentlich lieber Fisch als Fleisch gegessen. Besonders gemocht habe ich Meeresfrüchte und mich gefreut, dass das Meer uns eine so reiche und schmackhafte Ernte schenkt. Mit 19 Jahren habe ich aufgehört, Fleisch zu essen, einerseits wegen der Art und Weise, wie Tiere in industrieller Massenproduktion misshandelt werden, andererseits weil für die industrielle Fleischproduktion schon damals riesige Mengen an Futtermitteln importiert werden mussten, vorwiegend Soja aus Lateinamerika, wofür dort weiterhin Regenwald in Flammen aufgeht.
Mittlerweile weiß ich, dass die übermäßige Fleischproduktion in Deutschland – gerade auch für den Export – auch hierzulande für gewaltige Umweltprobleme sorgt. Denn viel Vieh macht auch viel Mist und die Gülle wird dann auf die Felder gefahren, obwohl die Pflanzen solche Mengen gar nicht aufnehmen können. Nach und nach reichern sich so Nitrate im Grundwasser und umliegenden Landschaften an. Damals gab es noch keine wirkliche Auswahl an Biofleisch und ich kannte keinen lokalen Bauern, der seinen Hof in Kreislaufwirtschaft führte, so dass ich einfach ganz aufgehört habe, Fleisch zu essen.
… doch Fisch
Fisch habe ich mir zwar selbst nie gekocht, aber immer als Option angeboten, wenn Gastgeber in Verzweiflung darüber gerieten, was sie der Vegetarierin denn bloß anbieten können und mir selbst als Rettung in letzter Not beim Reisen zugestanden, wann immer Reis und Bohnen tagein tagaus ein Gefühl der Mangelernährung in mir zurückließen. Über die Jahre wurde es immer weniger mit dem Fisch, da mehr vegetarische Alternativen, Gerichte und Restaurants aufkamen. Doch eine Paella oder Calamari fritti ließen mir noch immer das Wasser im Mund zusammenlaufen, bis ich 2010 in Cadaques (Spanien) Urlaub machte.
Eines Tages wanderte ich mit meiner Freundin einen mit Kakteen und niedrigen Sträuchern gesäumten Weg oberhalb des Meeres entlang, bis wir zu einer kleinen Felsenbucht kamen. Der letzte Teil des Abstiegs zum Strand war etwas abenteuerlich, aber dafür wurden wir von schillernden Steinen in allen Farben, Formen und Größen belohnt, wovon wir eine ganze Reihe später nach Hause schleppten. Da das Wasser ziemlich kühl war, sprangen wir erst eine Weile kreischend und kichernd immer wieder von den Felsen ins Meer. Irgendwann probierten wir dann Maske und Schnorchel aus.
Die Magie des Oktopus
Ganz unverhofft entdeckte ich ihn: meinen Oktopus (Gewöhnliche oder Gemeine Krake siehe Klassifikation unten). Er war ganz und gar nicht gewöhnlich, sondern eigentlich sehr gut getarnt, wie er sich in aller Seelenruhe elegant über den Grund bewegte und dabei sein Aussehen fortlaufend dem Muster des Meeresbodens anpasste. Ich war hin und weg. Wie machte er der das (siehe Fotos)? Vollkommen in seinem Bann, vergaß ich die Kälte, die mir langsam in die Knochen kroch, und folgte dem Oktopus bei seiner Suche nach Beute durch die Bucht. Irgendwann hatte er mich nicht nur akzeptiert, sondern wurde selbst neugierig.
Weiterhin mühelos von einer Schattierung in die nächste wechselnd, von einer Sekunde auf die andere die komplette Textur seiner Haut anpassend, kam der, im übrigen recht große, Oktopus auf mich zu und dann haben wir uns lange und tief in die Augen geschaut. Diese Begegnung hat nicht nur meinen Wunsch tauchen zu lernen nochmals befeuert, sondern auch dazu geführt, dass ich seitdem keinen irgendwie gearteten Tintenfisch mehr gegessen habe. Fische im allgemeinen habe ich ein paar Jahre später ebenfalls vom Speiseplan gestrichen, da es mir mehr Freude macht, sie im Wasser zu beobachten (vom Traum zur Realität: Wie ich zum Tauchen kam).
Ein, zwei, viele Oktopusse (siehe Systematik unten)
Um meiner frisch entbrannten Liebe äußerlichen Ausdruck zu verleihen, kaufte mir noch dort in Spanien ein Oberteil mit einem Oktopus aufgedruckten (siehe oben). Noch immer bin ich jedes Mal begeistert, einem der Oktopoden unter Wasser zu begegnen – und es gibt so viele verschiedene Arten von ihnen. Sie alle zeichnen sich durch einen Tintensack, drei Herzen (Hauptherz und zwei Kiemenherzen) sowie acht Arme mit Saugnäpfen aus, wobei sie eine Vorliebe für einen bestimmten Arm entwickeln. Da sie keine Knochen oder harte Schale haben, können sich durch jede noch so kleine Öffnungen winden, solange ihr Schnabel hindurchpasst. Oktopusse, auch Kraken genannt, sind intelligent und haben Charakter und das sagen nicht nur wir, sondern auch guter GEO-Artikel mit vielen Informationen zu Arten und ihrem Verhalten:
„Kraken täuschen ihre Opfer, handeln planvoll, prägen sich Jagdreviere ein und imitieren das Verhalten anderer Meeresbewohner, um sich vor Feinden zu schützen: Die Kopffüßer sind weitaus intelligenter, als von Forschern lange Zeit angenommen. Und einige Spezies haben möglicherweise sogar die höchste Form des Geistes hervorgebracht: Persönlichkeit.“
Sebastian Kretz (GEO): Kluge Kraken: Wie die Kopffüßer die Forschung verblüffen
In der Tat sie verblüffen und ziehen eigentlich alle Taucher in ihren Bann genauso wie Kalmare (Squids) oder Sepien (Cuttlefish), weitere Kopffüßer (Geschichte mit Fotos aus Lembeh The King of Critters: The Flamboyant Cuttlefish). Sowohl in Lembeh als auch in Wakatobi habe ich wesentlich mehr Arten gesehen als in der Fotogalerie erscheinen, z. B. Blauring und Wonderpus Oktopus. Doch natürlich hatte ich nicht immer eine Kamera zur Hand und manchmal habe ich lieber Yoeri das Feld zum Filmen überlassen und einfach nur glücklich zugeschaut. Hier in Amed sind uns auf den bisherigen Tauchgängen zwei Arten begegnet, die allerdings nicht lange posiert haben, sondern relativ zügig wieder in ihren Bauten im Untergrund verschwunden sind. Sobald sich das Wetter wieder bessert, werden wir mit dem Nachttauchen beginnen, denn in der Dämmerung wird so ein Oktopus erst richtig aktiv.
Die Magie des Oktopus und die Faszination Manta
In der Zwischenzeit habe ich mir ja einen niederländischen Meeresgott geangelt. Ringe beschwören bei uns allerdings Bilder von langen, beschwerlichen und entbehrungsreichen Wanderungen herauf und da wir uns als Gefährten nicht verlieren wollen, haben wir uns stattdessen für Oktopusse entschieden, die uns seit dem vergangenen Jahr durchs Leben begleiten (siehe unten und Looking back in gratitude). Ebenfalls noch im letzten Jahr gesellte sich ein neuer kleiner Gefährte zur Familie: Matteo (Willkommen in meinem Leben). Es hat sich herausgestellt, dass die Kirche mich doch nicht als Taufzeugin akzeptieren will, zumal ich heute nicht anwesend sein kann. Doch das tut meinem Verständnis als Patentante keinen Abbruch.
Er hat seinen eigenen Oktopus und als den gekauft habe, fiel mein Blick auch auf einen Manta, dem ich einfach nicht widerstehen konnte. Seitdem begleitet mich Manni Manta auf Reisen, während der Oktopus Matteo in seinem Bettchen beschützt. Genauso wie Oktopusse schauen einen Mantas nicht einfach nur an, um zu bewerten, ob wir essbar sind oder eine Gefahr darstellen. Sie sind oft einfach neugierig und interessiert an der Interaktion mit Menschen (nur ein Beispiel aus Australien: Verletzter Manta bittet Taucher um Hilfe und noch eins aus Indonesien: Manta Rescue – Nusa Penida). Es geht nicht allein ums Überleben, sondern auch um die Freude am Leben.
So machen sie bestimmte Dinge einfach, weil es ihnen Spaß macht, wobei sich die einzelnen Tiere in ihrem Verhalten und ihren Vorlieben unterscheiden und auch nicht jeden Tag gleich (gut) drauf sind. In jedem Fall faszinieren und begeistern mich Mantas immer wieder und es fühlt sich an, als könnten sie mit ihren großen, hervorstehenden Augen direkt in mein Herz schauen. Die Art, wie ein Manta durchs Wasser schwebt, um nicht zu sagen, fliegt, wirkt sowohl hypnotisierend als auch animierend. Daher: Folge dem Manta – oder einem Oktopus.
Systematik zum Schluss
Klasse: Kopffüßer, auch Tintenfische genannt (Cephalopoda)
Ordnung: Kraken (Octopoda) – erkennbar an acht Armen
Familie: Echte Kraken (Octopodidae)
Gattung: Oktopusse (Octopus) – ja, die Mehrzahl von Oktopus ist Oktopusse oder Oktopoden
Art: Gewöhnlicher Krake (Octopus vulgaris)
Mehr zur Systematik und wissenschaftlichen Klassifizierung gibt es hier: Let’s talk scientifically! Pictures and classification of marine life.
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