Tauchen verbindet, nicht nur den Einzelnen mit der Natur, sondern alle in ihrer Leidenschaft. Zum einen teilt man schöne Momente, schafft gemeinsame Erfahrungen, zum anderen tauscht man sich aus. Über das Tauchen habe ich verschiedene Länder bereist, kleine Ausschnitte des lokalen Lebens kennengelernt und Menschen aus aller Welt mit sehr unterschiedlichen Hintergründen getroffen. Menschen, mit denen ich ohne das Tauchen niemals ins Gespräch gekommen wäre.
Tauchen ist ein Miteinander, ob gleichgesinnt oder andersartig, am Ende muss ich die Menschen nehmen, wie sie kommen. Mich auf sie einzustellen, bedeutet dabei nicht, mich zu verstellen, sondern vielmehr gut zuzuhören, offen für andere Charaktere, Hintergründe und Ansichten zu sein und Wege zu finden, den anderen wirklich zu erreichen und zu begeistern, so dass wir miteinander tauchen und im besten Fall von einander lernen.
Andersartig
Ganz unterschiedliche Gründe motivieren Menschen dazu, immer wieder tauchen zu gehen. Diese herauszufinden, miteinander in Einklang zu bringen und dabei über das Leben am Riff aufzuklären, sehe ich genauso wie die Tauchplätze und ihre Bewohner aktiv zu schützen als meine Aufgabe (Unter Schutz stellen). Aufrichtige Leidenschaft steckt Menschen an. Manchmal früher, manchmal später und manchen war einfach nicht zu helfen. Zumindest nicht von mir.
Nur einmal habe ich darum gebeten, dass Tauchgäste bitte einen anderen Guide bekommen. Es war ein französisches Paar. Sie war freundlich, interessiert und zugewandt. Er hatte mehr Taucherfahrung, wusste alles besser und verstand auf Englisch immer nur das, was ihm gerade passte. Dass er sich nicht am Riff festhalten sollte, gehörte zu den Teilen, die er immer wieder geflissentlich überhörte. Ich befürchtete, ihn über kurz oder lang am Kragen zu packen und ordentlich durchzuschütteln (Momentaufnahmen an Land und unter Wasser). Stattdessen bekamen sie einen französischsprachigen Guide, was seine Frau durchaus bedauerte, aber insgeheim sicher verstand.
Nur kurz am Rande
Manchmal passt es einfach nicht und keine positive Einstellung der Welt kann diesen Umstand ändern. Jenseits einer Tour auf einem Safariboot, auf der ein Gast negativer gestimmt als der andere war, sie sich gegenseitig anstachelten und so immer mehr Gründe fanden, sich aufzuregen und zu beschweren, gab es nur ein paar Ausfälle, die ich unter anderen Umständen gerne an einen Kollegen weitergereicht hätte.
Ein amerikanischer Gast hatte sich vor der Ankunft bereits für einen Nitrox-Tauchkurs angemeldet und auf seinem medizinischen Fragebogen bei mehr Fragen ja als nein angekreuzt. Anstatt ihm nahezulegen, ein Tauchtauglichkeitszeugnis mitzubringen, wurde ich dahingehend gebrieft, dass ich ein Auge auf ihn haben sollte. Tauchtauglichkeit oder ein anderer regelmäßiger Gesundheitscheck für das Tauchen scheinen in den USA keine Rolle zu spielen, eigentlich überraschend, wo doch jeder jeden für Jegliches verklagen kann.
Gleichgesinnt
Meine Lieblingstauchpartnerin habe ich vom Fleck weg ins Herz geschlossen. Christina war nicht nur die pure Freude auf die bevorstehenden Tauchgänge anzumerken, sie hatte gleichzeitig ein Auge für die ganze Situation sowie beruhigende und anerkennende Worte für die übrigen Taucher der Gruppe. Dabei war ihr Mann nicht ihr bevorzugter Buddy, denn er nahm sich weder die Zeit für die kleinen, feinen Dinge, noch bewunderte einfach das große Ganze, sondern sauste mit der Kamera von einer Aufnahme zur nächsten. Obwohl sie gefühlt bereits die ganze Welt bereist hatte, konnte sie sich immer wieder für alles begeistern. Vollkommen verzückt tauschte ich mich mit ihr über Unterwasserlebewesen, Tauchgänge und andere Erlebnisse aus.
Hin und wieder hatten wir das Glück, Nachmittags alleine tauchen gehen zu können. Dann holte sie ihre große Lupe hervor, um Gemeinschaften von Seescheiden genauer zu betrachten oder sich in den Details einer Nacktschnecke zu verlieren, bevor sie die Lupe an mich weiterreichte. Wenn uns andere Tauchgruppen überholten, warfen mir die Guides verstohlene Seitenblicke zu. Sollte ich nicht gefälligst, etwas für sie suchen und finden? Um nicht auf 70 Minuten begrenzt zu sein, gingen wir für unsere privaten Tauchgänge schnell zum Hausriff über. In den zwei Wochen brauchte ich morgens kein Yoga am Strand, denn die Unterwasserzeit mit Christina war Meditation und Inspiration in einem (Alles Yoga oder was?).
Kometfisch
Gegen Ende ihres Aufenthalts schäumte ich fast über, als ich den einen Fisch, den sie als einen ihrer besonderen Lieblinge erwähnt hatte, für sie finden konnte: Einen Kometfisch (Calloplesiops altivelis), auch Echter Mirakelbarsch genannt. Zum Glück war der Rest der Gruppe mit Fotografieren beschäftigt, denn sie war eine der wenigen Personen, die entspannt genug war, um diesen äußerst scheuen Fisch in aller Ruhe mit mir betrachten zu können.
Kometfische werden 15-20 Zentimeter groß und sind dunkelbraun mit weißen Tupfern über den gesamten Körper. Mit gespreizten Flossen sind sie nahezu elliptisch, wobei ein großer heller Ring zur Schwanzflosse hin ein Auge vortäuscht, während der Umriss des Auges selbst durch Punkte bis an die Pupille heran maskiert wird. In die Ecke gedrängt schnappt ein Angreifer so tendenziell eher nach dem Schwanz, während sich der Kometfisch hoffentlich in die andere Richtung in eine Riffspalte flüchten kann. Anschließend streckt er der Außenwelt gerne sein Hinterteil entgegen, um es sanft auf und ab zu schwenken, so dass er nicht nur in Aussehen, sondern auch in Bewegung an eine Gepunktete Weißmaul-Muräne (Gymnothorax meleagris) erinnert. Durch diese Mimikry, also das Nachahmen einer anderen Art, in diesem Fall einer wehrhaften, machen die meisten der Jäger, einen Bogen um den Kometfisch. Es kommt eben ganz auf die Ausstrahlung an.
Rückkehrer zum tauchen
Im Gegenteil dazu versuche ich, so harmlos wie möglich zu wirken. Selbst wenn ich innerlich vor Begeisterung jubiliere oder vor Zorn zittere, nähere ich mich nur äußerst langsam oder indirekt, um den jeweiligen Riffmitbewohner ohne ausladende Gesten zeigen zu können. Nachdem ich die Riffe Wakatobis länger betauchte, bedankte ich mich nicht mehr nur innerlich, sondern winkte mal zur Begrüßung, mal zum Abschied. Gäste, die ihre Freude ebenfalls mit den Mitlebewesen teilen wollten, taten es mir nach.
Am enthusiastischen war australisches Paar, beide selbst Divemaster. Sie liebte neben Schildkröten vor allem Igelfische mit ihren großen, hervorstehenden Augen und fast herzförmigen Pupillen, denen wir beide gerne Kusshände zuwarfen. Ganz und gar verinnerlicht hat die zarte Geste des Winkens Shahab, der mit seiner Frau Jamie aus Kalifornien angereist war. Nicht nur zwischen den Fischen und ihnen stimmte die Chemie, so dass wir in Kontakt blieben. Als klar wurde, dass die beiden im folgenden Jahr wiederkommen würden, konnte ich mich sogar auf Weihnachten freuen. Im Allgemeinen ist es nicht so erbauend, glitzernde Kugeln an künstlichen Tannenbäumen in trauter Eintracht mit Palmen zu bestaunen, wenn man weder die eigene Familie sehen wird, noch freie Tage genießen kann.
Zum zweiten
Als ich sie kurz vor Weihnachten am resorteigenen Flugfeld in Empfang nahm, musste ich ihnen leider als erstes gestehen, dass ich nicht mit ihnen tauchen gehen konnte. Mittlerweile waren unsere Koffer auf jeder Rückreise zum Resort randvoll mit allerlei Lebensmitteln, so dass ich immer etwas in Reserve hatte, um es mir gut gehen zu lassen. Ein paar Abende zuvor verspürte ich Lust auf Käse. Eigentlich wollte ich das Stück alten Gouda gerade weglegen, um dann doch eben noch ein kleines weiteres Stückchen abzuschneiden. Da ich mit meinen Gedanken allerdings ganz woanders war, säbelte ich, mit einem der neuen Keramikmessern aus dem Weihnachtspaket meiner Mutter, glatt durch den Käse und tief in meinen linken Daumen. Ich war vollkommen verdattert, denn ich fühlte keinen Schmerz. Selbst nachdem ich das Messer herausgezogen hatte, klaffte dort nur ein hässliches Dreieck, nicht ganz gleichschenklig, während das Blut bis an die Decke spritzte.
Ich musste kurz Tarantino huldigen, bevor ich mit der rechten Hand Druck auf die Wunde ausübte. Es gelang mir noch das Stückchen Käse in den Mund zu schieben, bevor Yoeri mir in die Klamotten half, ohne sie mit Blut zu besudeln, so dass wir zum Manager stapfen konnten. Eigentlich war immer ein Arzt unter den Gästen, in dieser Woche jedoch nicht. Als Lisa, Tauchguide, Krankenschwester und mein Sunset-Buddy, bestätigte, dass dies wirklich genäht werden müsste, wurde der Arzt der Nachbarinsel Tomia gerufen. Da der Sicherheitsmann, der diesen vom Steg hierher begleitet hatte, fast umkippte, als er all das Blut sah, das aus dem Daumen hervorquoll, folgte ich dem Rat des Arztes und sah nicht hin, als er mir die Betäubungsspritzen unserer Krankenstation ins Fleisch rammte. Acht Stiche später konnte ich ins Bett, aber für drei Wochen nicht ins Wasser um zu verhindern, dass sich die Wunde infizierte.
Miteinander
Für Jamie und Shahab hatte ich Lisa als Ersatz vorgeschlagen und nachdem sie alle miteinander warm geworden waren, verbrachten wir gemeinsam lustige Abende in der Jetty Bar. Für Jamie baten wir, dass weniger Weihnachtslieder gespielt würden. Wer kommt denn bitte für „White Christmas” in die Tropen? Für Shahab baten wir um vegane Alternativen. Er war wirklich genügsam, aber drei Tage mit Kidney-Bohnen-Eintopf reichten auch ihm. Immerhin wurde er nie mit Fleisch beglückt.
In regelmäßiger Unregelmäßigkeit landete auf den Broten für die Veganer zwischen dem obligatorischen Salatblatt, der Scheibe Gurke und Tomate ein Stück Wurst. Ich tippte darauf, dass irgendwo in der Küche eine Erklärung zu Essenswünschen der Gäste hing, denn die verschiedenen Konzepte waren für die indonesischen Mitarbeiter bestenfalls exotisch. Wahrscheinlich gab es eine Spalte zu Vegetariern und darunter zu Veganern. Wann immer jemand Neues anfing, laß er sich den Teil zu Veganer durch und bereitete die Brote entsprechend vor. Dass diese auch all das nicht essen wollten, was unter Vegetarier gelistet war, wurde anscheinend nicht deutlich genug gemacht.
Mit anderen Tauchern klappte es erst auf den zweiten Blick, aber dafür umso besser. Hans und Uli waren bereits Wiederholungstäter, als wir zum ersten Mal miteinander tauchen gingen. Sie scherzten mit allen anderen Guides und Gästen auf dem Boot – auf Deutsch genauso wie auf Englisch. Bisher tauchten sie immer mit indonesischen Guides, die jedes Mal wahnsinnig viel gefunden haben. Ich fürchtete mich ein wenig vor dem Vergleich und als ich nach ein paar Tagen mit Uli vorne am Bug der breiten und überdachten Tauchboote in der Sonne stand und über die sich wandelnde Arbeitswelt als Ingenieur und den Tauchurlaub als rettende Entspannung quatschte, gestand er mir, dass sie erst gar nicht begeistert gewesen waren, jetzt mit einer Deutschen tauchen zu gehen. Doch sie hätten noch nie so viel über die Unterwasserwelt gelernt und sich nebenher so gut unterhalten, was wir daraufhin auf die Jetty-Bar und das Restaurant ausdehnten.
Zu Besuch bei Freunden
Ein paar Monate später konnten wir Hans in Singapur besuchen, von wo aus er die Asienabteilung eines großen deutschen Unternehmens führte. Die Gated Community auf der künstlich erweiterten Insel Sentosa erkundeten wir mit Elektrorollern, ehe sie in Deutschland überhaupt auf den Markt und in Verruf kamen, und sammelten entspannt die zuvor bestellte Kameraausrüstung überall in der Stadt ein. Hans nahm sich die Zeit, mit uns in ein vegetarisches Restaurant zum Mittagstisch zu gehen, was sogar Yoeri restlos überzeugt hat. Beim zweiten Besuch leistete uns sogar Uli eine Nacht Gesellschaft.
Zu Besuch bei Freunden konnten wir uns endlich die Zeit nehmen, Singapur jenseits der Visabüros und Shoppingmalls kennenzulernen, wobei uns die gemeinsamen Momente wahrscheinlich länger im Gedächtnis bleiben werden. Essen gehen genauso wie gemeinsam kochen, dazu verschiedene Zubereitungsformen für Kaffee und Whiskeys durchprobieren und bis tief in die Nacht auf dem Balkon sitzen, um uns an all die gemeinsamen Tauchgänge zu erinnern, sehnsüchtig Neue zu planen und dabei die großen Kräne des Containerhafens von Singapur in der Ferne zu beobachten.
Erfahrungen des persönlichen Glücks
Egal ob gleichgesinnt oder andersartig, Erfahrungen machen uns generell glücklicher, als Dinge zu kaufen. Ein Kauf kann durchaus ein Glücksgefühl auslösen, wobei die Freude oft sehr schnell verblasst. Doch, während Besitz alltäglich wird, kann eine Erfahrung sogar noch an Bedeutung gewinnen. Je länger ich mich im Vorfeld auf einen Kauf gefreut habe und je mehr ich das Objekt der Begierde nutze, desto intensiver und langanhaltender kann ich mich über Gegenstände freuen, wie unsere Kameraausrüstungen.
Obwohl Yoeri und ich uns Mühe geben müssen, um uns nicht ganz aus den Augen verlieren, seit wir beide eine Kamera haben, bleibt, gemeinsam zu tauchen, ein besonders wertvolles Erlebnis. Zum Geburtstag hat er mich reich beschenkt. In einem langersehnten Clip aus unserer Zeit in Komodo schwebe ich mit meinen Mantas vereint. Bewegende Bilder erinnern mich daran, welchen fantastischen Unterwasserlebewesen ich bereits begegnen durfte (YouTube-Kanal). Zudem lösen sie die Gefühle aus, die mich durchflutet haben, als ich beispielsweise meine erste Feurige Prachtsepia in einer Sandkuhle in den sandigen Weiten von Siaba Besar entdeckt habe, als meine bisher einzigen Delfine am Lighthouse an mir vorbeirauschten oder eine mir noch unbekannte Schneckenart meinen Weg in Crystal Rock kreuzte. Wie glücklich ich mich für all diese Erfahrungen und Begegnungen schätze. Wie gerne ich diese Erlebnisse teile.
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