Willst du in die Welt hinaus? Willst du neue Orte kennenlernen und dabei Menschen nicht nur begegnen, sondern gemeinsam etwas schaffen? Willst du lernen, dich weiterentwickeln und noch dazu einen sinnvollen Beitrag leisten? Neben dem Reiz des Unbekannten, dem verlockenden Ruf der Ferne waren dies jedenfalls für mich Gründe, mir für meine ersten ganz eigenen Schritte weltwärts nach dem Abitur eine Tätigkeit als Freiwillige zu suchen. Für alle Suchenden teile ich ein paar Ideen, um als Freiwillige oder Praktikant*innen in die Welt hinaus zu ziehen.
Warum beschäftigt mich dieses Thema gerade jetzt? Die wundervolle Judith Peters von Sympatexter hat über eine Challenge im Mai 2022 angeregt, doch einmal darüber nachzudenken „Wie ich wurde, was ich bin“. Herausgekommen ist der Beitrag „Mein Weg zur Gründerin von Devocean Pictures in der Karibik“. Gleichzeitig hat das Schreiben viele Erinnerungen an die Oberfläche meines Bewusstseins gespült, von wo aus sie jetzt in die Welt hinaus drängen. Daher hier eine subjektive Auswahl an Ideen für Suchende, Anregungen zu Auslandsaufenthalten basierend auf persönlichen Erfahrungen, und eine generelle Empfehlung vorne weg.
Ideen für Suchende: weltwärts
Während ich im Jahr 2000 noch reihenweise Briefe an Organisationen geschickt habe, um nach dem Abitur auf in die Welt hinaus zu ziehen, ohne selbst ein Vermögen dafür auszugeben, gibt es mit „weltwärts“ seit 2008 ein staatlich organisiertes Freiwilligenprogramm. Bei weltwärts können sich Freiwillige aus Nord und Süd genauso bewerben wie Partnerorganisationen, bei denen die Freiwilligen unterkommen, sich austauschen und gemeinsam lernen.
„weltwärts bringt Menschen aus Deutschland, Asien, Afrika, Lateinamerika, Ozeanien und Osteuropa zusammen – durch Freiwilligendienste und Begegnungsprojekte. Lernen im gegenseitigen Austausch und die Stärkung internationaler Partnerschaften stehen dabei im Mittelpunkt. weltwärts ist entwicklungspolitisches Engagement, Globales Lernen und Begegnung auf Augenhöhe.“
Startseite weltwärts
Dabei zahlt sich (Beruf-)Erfahrung, die man selbst einbringen kann, selbstverständlich aus. Was willst du in die Welt bringen? Auch ich wollte damals nicht einfach nur woanders leben, sondern etwas Sinnvolles leisten. Nur was ich konkret Sinnvolles konnte, hatte ich mir nicht richtig klar gemacht. Ich ging davon aus, dass ich eine gute Einführung bekommen würde, dass es in den Tagesstätten für Kinder und Jugendliche ein bestehendes Konzept für freiwillige Helfer*innen meiner Art gab, dass ich mich problemlos aktiv einbringen könnte und alles zum Wohle der Kinder. All das, was ein weltwärts bietet.
Chile: Mein erstes Mal in die Welt hinaus
Ganz so strukturiert lief die Arbeit bei der Fundación Niños en la Huella in Iquique, Chile, letzten Endes nicht. Zudem landete ich mit nur einem VHS-Kurs Spanisch im Gepäck bei Weitem nicht so weich, wie ich es mir ausgemalt hatte (Aufbruch und Abschied). Doch nachdem ich mir zusammen mit meiner Zimmergenossin Tina einen Lehrer vor Ort gefunden hatte, halfen uns nach und nach erst das Leben und Arbeiten vor Ort und dann unsere Gastfamilien auf die Sprünge. Proportional zu unseren Spanischkenntnissen wuchs die Freude an unseren Tätigkeiten.
Wir verschönerten den Spielplatz und die Anlage, halfen bei Aktitäten wie Trommeln und Tanz, bastelten und malten, lernten zu kickern, spielten, kuschelten, hörten einfach nur zu und unterichteten Englisch. Am Ende wollte ich nicht mehr weg aus der Stadt am Meer. Falls auch du deine Spuren im chilensichen Sand hinterlassen möchtest, schaue gerne nach, was die Fundación heute macht, bitte um viele Informationen und Materialien zur Verbereitung oder schaue, ob du dich mit ehemaligen Freiwilligen wie mir austauschen kannst.
Ehrlich gesagt, lässt sich der Wert einer guten Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung, wie sie weltwärts bietet, gar nicht genug hervorheben. Denn auf diese Weise werden die persönlichen Erfahrungen in einen größeren Entwicklungszusammenhang gesetzt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, auch von anderen Teilnehmer*innen und Projekten zu lernen und sich fleißig zu netzwerken.
Am Beispiel der Philippinen: Ländernetzwerke in Deutschland
Auch jenseits von Freiwilligenaufhalt und Praktika bieten sich zivilgesellschaftliche Netzwerke und Vereine als Anlaufstelle an, sowohl um bereits im Vorfeld etwas über das Land zu erfahren, als auch um vor Ort Kontakte zu knüpfen. Wenn es jemanden nach Manila auf den Philippinen verschlagen sollte, besucht bitte unbedingt das kulturelle und politische Zentrum People’s Global Exchange (PGX) in Quezon City. Trimona Dining sorgt dort für super leckeres, lokales und nachhaltiges Essen und es werden alle möglichen Kurse angeboten. An einem meiner ersten Abende dort, haben wir uns für eine Meditation zusammengefunden, die mich hat ankommen lassen (Alles Yoga oder was?). PGX hat mir die Ankunft auf den Philippinen 2011 wirklich leicht gemacht (Endlich richtig abtauchen). Den Kontakt vermittelte mir damals das philippinenbüro in Köln.
Das philippinenbüro ist ein unabhängiges, soziopolitisches Informationszentrum im Asienhaus und hat sich zur Aufgabe gemacht, Interessierten aktuelle gesellschafts- und entwicklungspolitische Hintergründe und Zusammenhänge zu den Philippinen aufzuzeigen. Neben der Informations- und Bildungsarbeit zu aktuellen Entwicklungen in den Philippinen vermittelt das Büro Kontakte in die Philippinen und fungiert als Dokumentationszentrum. Dafür steht der Verein in engem Austausch mit verschiedenen europäischen und philippinischen Nichtregierungsorganisationen, Netzwerken und Hilfswerken, die in den Philippinen oder zu Themen der Globalisierung tätig sind.
Das philippinenbüro hat seinen Sitz in Köln unter dem Dach der Stiftung Asienhaus.
In Zusammenarbeit mit Partnern aus Europa und Asien
Stiftung Asienhaus: Über uns
* erstellen wir Analysen und stoßen Diskussionen und Erfahrungsaustausch an,
* betreiben wir Aufklärung durch Seminare, Publikationen, Filmveranstaltungen und Ausstellungen,
* führen wir Austauschprogramme mit Nichtregierungsorganisationen aus Ländern Asiens durch,
* unterstützen wir Aktionen, um Menschen zu mobilisieren und Lobby-Aktivitäten durchzuführen.
Ecuador: Von Station zu Station
Bereits 2004 verbrachte ich ein halbes Jahr in Peru und Ecuador. Während viele Reisende nur den Kopf darüber schütteln konnten, dass ich mit meinem Reisepartner so viel Zeit in nur zwei Ländern vertrödelte, ließen wir unsere Blicke wahlweise über das Meer, Berge, Waldkronen oder Häuserdächer schweifen und genossen dazu je nach lokalem Angebot frisch gepressten Saft, fruchtige Milchshakes, Kaffee oder Bier – basierend auf deutscher Brautradition versteht sich. Nachdem solche Art Weitgereisten hastig aufgebrochen waren, um in weniger als zwei Wochen ihren Flieger in Argentinien zu erreichen – Ecuador hatten sie in drei Tagen nun wirklich hinreichend erkundet -, flüsterte uns jeder Ort zu, doch noch ein wenig länger zu bleiben oder wenigstens diesen oder jenen Umweg zu nehmen. Hinter jeder Ecke lauerte die Möglichkeit, etwas Neues kennenzulernen.
Am längsten blieben wir in der Bilsa Biological Station mitten im Bergregenwald. Rückblickend hätten wir gerne länger als einen Monat zum Schutz dieses einzigartigen Ökosystems beigetragen. Vielleicht wäre eine Kombination aus mehreren Standorten der Fundación Jatun Sacha in Ecuador, genau das Richtige gewesen. Doch da wir anschließend einen Trip auf die Galapagos-Inseln gebucht hatten (Wie ich zum Tauchen kam), konnten wir nicht verlängern. Lea und Jakob, dänische Freiwillige und tiefenentspannt Reisende, machten mehr aus den Möglichkeiten. Erst halfen sie für mehrere Monate in Bilsa dabei, einem Gemüsegarten anzulegen, um anschließend mit diversen Tierarten auf den Galapagos-Inseln auf Tuchfühlung zu gehen.
Wie ich sehe, haben sich Preise dieses Programms seither sicher verdoppelt. Wenn man in diese Richtung sucht, gibt es mittlerweile sicher noch einmal mehr Möglichkeiten. Ich kann empfehlen, sich vorher nicht nur online zu informieren, sondern direkt Fragen zu stellen, am besten an Menschen, die selbst schon einmal vor Ort waren. Selbst wenn ihr keine Fragen habt, kann die Art und Weise der Kommunikation viel mehr darüber aussagen, was euch vor Ort erwartet, als eine auf Hochglanz polierte Website. Ich würde mittlerweile immer auf detaillierte Packlisten, Erfahrungsberichte und zumindest grobe Aktivitätenplanung drängen, um nicht erst mitten im Regenwald festzustellen, was alles hilfreich gewesen wäre, wie ich mich fachlich hätte vorbereiten können und damit wirklich einen nachhaltigen Beitrag für die Organisation hätte leisten können. Man lebt, man lernt – am besten auch von anderen.
St. Eustatius: Der Natur und Geschichte tief verbunden
Auf Statia, wie die Insel liebevoll genannt wird, lebten Yoeri und ich von 2013 bis 2014 und jetzt erneut seit 2021 (Why we love Statia). Seit Beginn des Jahres kümmern wir uns als Freiwillige bei St. Eustatius Animal Welfare Foundation (SEAWF) um Katzen und Hunde. Auch zeitlich befristet helfen dort immer wieder Besucher*innen der Insel aus, doch es gibt kein wirkliches Programm, um die Arbeit in einen größeren Zusammenhang einzubinden. Dafür bieten sich zwei andere Organisationen an: STENAPA und SECAR.
St. Eustatius National Parks Foundation (STENAPA) kümmert sich als Nicht-Regierungsorganisation um die drei Schutzgebiete sowie den botanischen Garten der Insel. Die lokale Regierung hat 33 Quadratkilometer für den Naturschutz ausgewiesen, auf denen fragile Ökosysteme und gefährdete Arten geschützt werden. Die Mission von STENAPA lautet, die natürlichen Ressourcen zu verwalten, zu erhalten und wiederherzustellen. Freiwillige werden in allen Bereichen eingesetzt (mehr Info hier). Sowohl der Wert als auch der Nutzen der Natur soll erhalten und verbessert werden, so dass im Sinne der Nachhaltigkeit die sozialökonomischen, politischen und kulturellen Bedürfnis der heutigen und der zukünftigen Generationen gewährt werden können. STENAPAs Vision ist es, dass die Natur als wichtige Ressource anerkannt und geschätzt wird.
Der Wert dieser Perle der Karibik zeigt sich nicht allein in den Schätzen der Natur. SECAR (St. Eustatius Center for Archaeological Research) ist nach STENAPA die zweite große NGO auf Statia und widmet sich dem kulturellen Erbe. Die 2004 gegründete Organisationen will die historischen Ressourcen der Insel gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung schützen und entwickeln. Dafür haben sie feste Mitarbeiter*innen und Freiwillige. Jede*r, der oder die sich für Archäologie und die Geschichte der Insel interessiert, ist willkommen. Praktikant*innen werden nicht bezahlt, können aber kostenlos im Haus des Zentrums wohnen (mehr Info hier).
Der Verein möchte die lokale, nationale und internationale Öffentlichkeit über die Insel aufklären. Es werden innovative Technologien und Methoden entwickelt, um das kulturelle Erbe über und unter Wasser zu bewahren und mehr Wissen aus allen Funden zu gewinnen. Dazu werden gemeinsam mit anderen Akteuren und (staatlichen) Stellen Konzepte ausgearbeitet, wie Fundstellen sowohl geschützt als auch touristisch genutzt werden können.
Auf, auf, in die Welt hinaus
Letztlich ist es fast egal, wohin es geht, Hauptsache wir öffnen uns, werfen einen Blick über den Tellerrand, sprechen mit Menschen aus ganz anderen kulturellen Hintergründen, mit ganz anderen Lebensumständen. Wer nicht reisen kann oder will, kann sich solche Möglichkeiten wenigstens im näheren Umkreis suchen. Aus meiner Sicht wird so eine Erfahrung umso besser, je mehr wir uns wirklich einbringen und etwas bewirken können. Verständnis wächst umso mehr, je besser die Organisation (vor Ort) koordiniert und kommuniziert wird. Doch es gibt so viele Möglichkeiten, dass ein Wahl zu treffen, abschreckend wirken kann oder die Suche nach der einen perfekten Stelle einfach kein Ende nimmt.
Gerade wenn die Auswahl endlos erscheint und eine fundierte Entscheidung auf Grundlage aller Komponenten zu treffen, zur reinen Sisyphusarbeit werden würde, gehe ich liebend gerne Empfehlungen nach. Wir müssen täglich tausende Entscheidungen treffen. Viele sind banal oder laufen unbewusst ab, so dass wir sie noch nicht einmal wahrnehmen. Nichtsdestotrotz kosten sie uns Energie, weshalb es manchmal so angenehm ist, gar nicht zu viele Auswahlmöglichkeiten zu haben. Denn problematisch sind meist nicht die einmal getroffenen Entscheidungen, sondern dass wir durch eine Entscheidung für etwas, viele andere Optionen ausschließen. Alles kein Problem, solange wir uns an unserer Wahl zu erfreuen oder, falls nötig, unsere Entscheidung neuen Präferenzen und Möglichkeiten anpassen. Nur, wenn wir uns anstelle dessen auf die hypothetischen Verluste fokussieren, stehen wir uns selbst im Weg.
Letzten Endes bereuen wir, was wir alles nicht gewagt haben, was wir nicht unternommen haben – vielleicht einfach nur aus dem Grund, dass wir keine Entscheidung dafür getroffen haben. In diesem Sinne wünsche ich allen, die es in die Welt hinauszieht und allen, die daran zweifeln, sucht euch etwas aus und macht das dann. Sehr wahrscheinlich gibt es den besten oder perfekten Ort gar nicht, nehmt daher einfach einen zu euch passenden und guten. Viel Erfolg und viel Freude dabei!
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