Ihr geht auch noch in eurem Urlaub tauchen, war die verdutzte Nachfrage anderer Gäste auf Lembeh, einer kleinen Insel im Nordosten Sulawesis (Indonesien), wo wir uns für sieben Tage mit unserer Kameraausrüstung austoben konnten. Nachdem wir den Luxus genießen, unserer Leidenschaft fast tagtäglich nachzugehen und die Stunden, die wir unter Wasser verbringen dabei noch Arbeit nennen können, erwarten die meisten Menschen eher, dass wir unseren Urlaub anders verbringen. Wobei wir, wenn wir in Wakatobi, ebenfalls zu Sulawesi gehörend doch ca. 800 km weiter südlich gelegen, mit Gästen tauchen, sind wir zwar jeden Tag umgeben von Naturschauspielen, können diese jedoch nicht selbst fotografieren und filmen (Miteinander, ob gleichgesinnt oder andersartig).

Zwei Wasserratten in den Bergen

Und tatsächlich wollten wir uns im Anschluss ans Tauchen zur Abwechslung vom ständigen Inselpanorama noch ein wenig Bergluft um die Nase wehen lassen (Inselfieber). Ich hatte gelesen, dass der Mahawu bei Tomohon im Nordosten Sulawesis einer der am leichtesten zu besteigende Vulkane des Landes sei. Hervorragend, dachte ich, so können wir Meeresanbeter einfach die Aussicht genießen.

Das Inselreich Indonesien

Immerhin ist Indonesien das Land mit den meisten Vulkanen weltweit: Im größten Inselstaat der Welt sind 147 Vulkane während der letzten 10.000 Jahre ausgebrochen. Die jüngsten schafften es in die Nachrichten in Europa: Die Ausbrüche des Anak Krakatau erzeugten einen Tsunami im Westen Inselreichs, während der Agung auf Bali seit 2017 rumpelt und pumpelt, hin und wieder Asche ausstößt und damit Touristen davon abhält nach Bali oder gleich ganz nach Indonesien zu kommen. Nur um die Dimensionen zu verdeutlichen, so viel Zeit muss laut einer Geografin sein, die über 17.000 Inseln Indonesiens erstrecken sich über mehr als 5.000 Kilometer, das entspricht in etwa der Strecke von Portugal bis zum Ural Gebirge.

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Vulkanbesteigung

Bei unserer ersten Rundfahrt mit dem Motorrad durch den Ort hatte ich bereits ein Schild entdeckt, das den Weg zum 1.324 Meter hohen Berg wies. Das reichte mir vollkommen, um Yoeri vom Rücksitz des Motorrads aus zielsicher zum Parkplatz lotsen zu können. Von hier aus sollte es in nur zehn Minuten über eine Treppe an den Kraterrand des Mahawu gehen – fast schon zu einfach. Statt einer Treppe folgten wir dann jedoch einem streckenweise äußerst rutschigen Pfad, der erst nach zehn Minuten wirklich zu steigen begann. Wir sind schon echt unfit, wenn andere Leute es in nur zehn Minuten bis nach oben schaffen, dachte ich mir im Stillen. Yoeri kam ins Schwitzen und warf ein, er komme aus dem Flachland, heißt schließlich nicht umsonst Niederlande, und Berge besteigen, entspräche nicht seiner Natur.

Unser Gipfelsturm

Einfach weiter gehen, immer einen Schritt vor den anderen, war mein Mantra, auch wenn der Bambus zunehmend tiefer herabhing und uns Stolperfallen legte, während das Dornengestrüpp heimtückisch Halt in unseren bloßen Armen und Beinen suchte. Als ein Baum den Weg versperrte, wollte Yoeri umkehren oder wenigstens eine Möglichkeit finden, das Hindernis zu umgehen. Die gab es allerdings nicht, denn mittlerweile ging der Pfad fast senkrecht Richtung Gipfel. Weit konnte es meiner Meinung nach jetzt nicht mehr sein und selbst wenn wir aus der Puste waren, konnten wir doch nicht die Besteigung des einfachsten Vulkans Indonesiens abbrechen! Yoeri musste mir also den Rucksack unter dem Baumstamm durchreichen und anschließend hinterher kriechen. Es ist nicht einfach für große Menschen, ganz besonders auf Reisen (Aufbruch und Abschied). Nach insgesamt bestimmt 45 Minuten erreichten wir abgekämpft den Kraterrand.

In den Wolken

Als erstes sah ich auf der gegenüberliegenden Seite die Aussichtsplattform, inklusive einer chinesischen Reisegruppe. Dort war also die Treppe. Als zweites sah ich, dass gerade Wolken aufzogen. Fotos über den Kraterrand hinweg zum höheren Nachbarberg Lokon (1.580m) und weiter zum Meer hatten sich damit erledigt. Yoeri sah erst einmal gar nichts, sondern schöpfte bloß Atem. Dementsprechend freudig beseelt, starteten wir also den Rundgang. Doch Natur entschädigt selbst mit begrenzter Aussicht und schlecht gelaunt zu sein, wird schnell zu anstrengend.

Am Kraterrand

Yoeri fand es sehr gelungen, dass die Wolken den Blick auf die ausufernde Stadt verdeckten und die Minahasa Highlands so erst richtig zur Geltung brachten. Die schottischen Highlands kennt er schließlich genauso wolkenverhangen. Was soll man machen, es herrscht eben momentan in weiten Teilen des Landes Regenzeit. Immerhin wurden wir nicht nass und konnten wenigstens in den Krater mit seinen gelben Schwefelablagerungen und kleinen Rauchsäulen hineinschauen. Vermutlich waren wir an diesem Tag die einzigen, die den Vulkan umrundet haben – und das noch mit erschwerten Auf- und Abstieg. Unser erster Gipfelsturm nach über drei Jahren im Land! Kaum wieder beim Motorrad angekommen, lichteten sich die Wolken für mich.

Belohnen wollten wir uns anschließend mit einem Bad unter einem Wasserfall, sozusagen um die Elemente zusammenzuführen. Leider schafften wir es nur mit Mühe und Not mit dem Motorrad den Berg hinunter in den Ort. Dann war der Hinterreifen platt. Im Allgemeinen findet sich an jeder Ecke ein „Tambal Ban“, wo Reifen aufgepumpt und geflickt werden. Allerdings war heute Sonntag. Obwohl der überwiegende Teil der Bevölkerung, 88 Prozent von 267 Millionen, muslimischen Glaubens ist, ist überall in Indonesien das Wochenende Samstag und Sonntag.

Sonntags in Tomohon

In den meisten Teilen des Landes würde es trotzdem keine Rolle spielen, denn die Geschäfte haben einfach immer geöffnet und gerade Shoppingmalls werden am Wochenende besonders frequentiert. Dieser Zipfel im Norden Sulawesis, sowie einige weitere Enklaven und Inseln vor allem im Osten des Landes, sind jedoch überwiegend protestantisch. Auf den katholischen Philippinen haben wir mit Reifenpannen an Sonntagen eher ungute Erfahrungen gemacht, aber das ist eine andere Geschichte.

Erfreulicherweise waren hier in Tomohon alle Blumenläden geöffnet. Dass vulkanische Böden sehr fruchtbar sind, war uns klar, hingegen nicht so ganz wer eigentlich diese ganzen Blumensträuße und -gestecke kauft. Vielleicht schob sich der Verkehr deshalb so zähflüssig durch die Hauptstraße des Tals – mehr relativ neu aussehende Autos als Motorräder im Übrigen. Kommt Manados Mittelklasse zum Sonntagsausflug und Blumenkaufen in die Berge? Wie auch immer, Yoeri schöpfte Hoffnung. Diese Läden werden von den Frauen betrieben, meinte ich, Männer haben nach dem Gottesdienst einfach anderes zu tun und ich habe in Indonesien oder auf den Philippinen noch nie eine Frau in einer dieser kleinen Werkstätten arbeiten sehen. In der Tat fanden wir ein „Tambal Ban“ nach dem anderen geschlossen vor.

Da wir die Situation nun einmal nicht ändern konnten, stellten wir das Motorrad kurzerhand in einer Seitenstraße ab und machten uns zu Fuß auf. Die Langsamkeit des Gehens eröffnet ohnehin neue Perspektiven. Wir können die Umgebung viel intensiver wahrnehmen, was auf der vielbefahrenen Hauptstraße nun wirklich kein Vorteil ist, so dass wir lieber wieder in die grobe Richtung des Berges liefen. Der buddhistische Tempelkomplex wäre selbst von der Hauptstraße aus nur schwer zu übersehen gewesen, doch angehalten hätten wir höchstwahrscheinlich nicht. Nachdem wir uns ganz in der Nähe für Körper und Geist gestärkt hatten, fühlten wir uns von der Anlage, die ein wenig wie ein kunterbunter Kinderspielplatz wirkte, geradezu magisch angezogen.

Buddhistisches Tempelland

Vermutlich gibt es hier eine größere chinesische Gemeinde, die den Tempel aufgebaut hat und die Anlage fleißig weiter ausbaut (Pagoda Ekayana). Mit buddhistischen Tempelanlagen kenne ich mich nicht aus, habe sie mir aber trotzdem anders vorgestellt. Vielleicht abstrakter, vielleicht zurückhaltender oder eher majestätischer? Schon merkwürdig, Vorstellungen von Dingen zu haben, von denen man keinerlei Ahnung hat. Wenn wir nichts von der Mythologie verstehen – und das geht uns bei anderen religiösen Stätten genauso – neigen Yoeri und ich dazu unsere eigenen Geschichten, um die Darstellungen herum zu dichten. Doch wir wollen niemanden unsere Version aufdrängen, also entdeckt es selbst.

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Die Pagode, die Besucher erklimmen dürfen, solange sie sich vorher die Schuhe ausziehen, was anders als „Pinkeln verboten“ neben dem Schildkrötentempel nicht in einem allgemein verständlichen Piktogramm dargestellt war, lieferte eindeutig den besten Blick über die umliegende Landschaft. Die drei Dollar Spende, die als Eintrittsgeld verlangt wurden, waren also gut investiert. Von den Kirchen an jeder Straßenecke hat uns im Übrigen, auch als wir zu Fuß unterwegs waren, keine so angesprochen, dass wir sie uns näher angeschaut hätten.

Sich treiben lassen

Der chinesische Einfluss wirkte sich im weiteren Verlauf unseres Tages positiv aus. Denn deren „Tambal Ban“ hatte auch am Sonntag geöffnet und so konnten wir einen neuen Schlauch aufziehen lassen und der „Innenstadt“ mit ihrem ominösen Verkehr entkommen. Für den Wasserfall war es inzwischen zu spät, aber unsere Suche nach weiteren Aussichtpunkten, als Insulaner ist es einfach verlockend, den Blick über etwas anderes als den Horizont schweifen zu lassen, führte uns zu der größten Kuriosität des Tages. Aussichtpunkt und Fotopoint – heutzutage vor allem von sich selbst versteht sich – in Kombination mit einem verlassenen Rastplatz, umgeben von Ständen, die aussehen, als ob der Dschungel sie bald vollkommen verschlingen würde. Eine passende Kulisse für Zombiefilme oder aber Party mit Blick auf Manado und dazu den bezaubernden Schriftzug „Flower“ aus Pappmaschee, mit dem sich die Gegend passend selbst beschreibt.

Das größte Rätsel gaben uns aber die pompösen Säulen auf, die den Rastplatz zur Straße hin abschotteten. Was hatte es mit der Eule dort oben auf sich, die mit roten Augen auf uns runterfunkelte? Diesen Turm haben wir vorsichtshalber gar nicht erst betreten, sondern stattdessen nur die Aussicht vom Rande der Plattform genossen, von wo aus immerhin nicht gejagt werden durfte. Was uns das andere Schild in der Mitte des Platzes mitteilen wollte, wissen wir nicht genau, vielleicht „Kletternde Affen“? Gesehen haben wir keinen. Die Eule entpuppte sich letztlich als das Wappentier von Tomohon, wobei sie auch in dieser Darstellung ziemlich bedrohlich wirkte. Für Yoeri hatte der ganze Bau etwas von Ostberlin, wobei der Adler dort erst nach der Wiedervereinigung erneut zum Wappentier aufstieg. Doch megalomanische Denkmäler und skurrilen Partygelände lassen sich offensichtlich genauso in anderen Teilen der Welt finden.

Eine Einordnung

Eine kurze Internetrecherche zeigte mir, dass die Anlage auf Bildern aus dem Jahr 2016 recht neu aussieht. Um die Zeit begann der gezielte Ausbau touristischer Infrastruktur als wirtschaftlicher Entwicklungsansatz in Indonesien. Mittlerweile hat Jakata zehn Zielregionen definiert, darunter Labuan Bajo auf Flores. Vielleicht flossen darüber Gelder, nur die Touristen lassen noch auf sich warten, während der Zahn der Zeit, in diesem Klima besonders unerbittlich, beständig an den Bauten nagt. Für den Unterhalt der einmal geschaffenen Infrastruktur sind dann wahrscheinlich wiederum die Kommunen zuständig. Kommt mir von irgendwie bekannt vor.

6 Kommentare

  1. Letzte Woche konnte ich einen Arbeitskollegen, der aus Manado stammt befragen, was es denn mit diesem Parkplatz auf sich hat, der so pompös andgelegt wurde und nun verwahrlost. Er bestätigte, dass es noch Gelder in einem Topf gegeben habe, die dann schnell ausgegeben werden mussten. So kam dieser Rastplatz und Aussichtpunkt an der Grenze von Tomohon zu Manado zustande. Doch an die Bewirtschaftung und Instandhaltung hat in der Tat niemand gedacht.

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