Momentan ist dieser Lebensbereich auf Bali für uns recht überschaubar. Wir kaufen ein bis zweimal die Woche in einem der kleinen Supermärkte ein, ganz ohne zu handeln. Andere Läden oder Märkte haben wir in der Umgebung von Pemuteran bisher nicht erkunden können.

Ablehnende Haltung

An sich interessieren wir uns nicht sonderlich fürs Einkaufen, aber ein paar Andenken bringen wir für gewöhnlich von unseren Reisen mit. Dieses Mal bin ich mir da nicht so sicher und vielleicht spuken gerade deshalb Erinnerungen an kaufen und handeln in meinem Kopf herum. Dabei habe ich im Februar in Amed – reichlich spät nach all den Jahren, ich gebe es zu – endlich meine Erleuchtung in punkto Handeln erleben dürfen.

Ich fühlte mich immer unwohl, wenn ich Preise verhandeln musste, und habe diese innere Haltung stetig befeuert, indem ich mir und anderen erzählte, wie sehr ich es hasste. Seitdem Yoeri mich durchs Leben begleitet, hat er mir in mühsamer Wiederholung ausgetrieben, solche nichtigen Dinge hassen zu wollen. Viel zu viele Emotionen, die du dort hineingibst, Energieverschwendung, erklärte er. Recht hat er.

Nichtsdestotrotz hegte und pflegte ich weiterhin meine grundsätzliche Abneigung, Preise verhandeln zu müssen. Mit Yoeri an meiner Seite musste ich allerdings nicht auf jegliche Einkäufe dieser Art verzichten. Denn er hat von seiner Mutter gelernt, dass es sich immer und überall lohnt, nach einem Preisnachlass zu fragen. Anschließend ist er durch die harte Schule Ägyptens gegangen, wo er jeden Tag aufs Neue, sogar die Preise aushandeln musste, die fest angeschrieben standen.

Damals in Sanur

Nicht, dass Bali der erste Ort gewesen ist, wo ich mit dem Phänomen in Berührung gekommen bin, doch diese eine Episode ist mir noch sehr lebhaft in Erinnerung, da ich mir anschließend vorgenommen habe, mir eine andere Strategie zulegen zu müssen. Vorausgesetzt, sich voll und ganz auf Yoeri zu verlassen, geht als Strategie durch.

Alles fing damit an, dass wir eigentlich gar nichts kaufen wollten. Wir schlenderten auf dem betonierten Weg neben dem Strand in Sanur entlang, schauten auf das Meer und den gelblichen Sand und zogen den Duft der Frangipaniblüten ein, der von den Tempelbäumen zu uns herüber wehte. Glücklich der aufziehenden Kälte in Europa entkommen zu sein, hatten wir darüber hinaus den brennenden Wunsch wieder tauchen zu gehen, allerdings noch keine Stelle in Aussicht (Bali: Mein Stück des Himmels).

Es gab also Gründe, die ganz eindeutig gegen kaufen und handeln sprachen. Erstens hatten wir ja noch keinen Job und wussten damit nicht, wie lange unser Geld reichen müsste. Zweitens haben wir, wie die meisten Touristen, objektiv betrachtet ohnehin zu viele Sachen, die wir unser Eigen nennen.

Kaufen und handeln

Aus einer Laune heraus ließen wir uns trotzdem dazu hinreißen, einer der Ladies, die an der Strandpromenade lautstark um Kunden buhlen, zu ihrem kleinen Verkaufsstand zu folgen. Dort angekommen stellte sich heraus, dass ihr Stand Teil eines kleinen Markts war, vielleicht nennt man so etwas heutzutage auch Outdoor-Mall. Kaum hatten wir den kleinen Platz betreten, lösten sich weitere Verkäuferinnen aus dem Schatten der Bäume, zogen die Plastikvorhänge ihrer Stände zur Seite und stellten sich am Eingang auf.

Nun gut, dachten wir uns, die Happy Hour fängt ohnehin noch nicht an. Mal schauen, was es so gibt. Doch weit gefehlt, sobald ich ein Stück nur einen Moment betrachtete oder diskret das Material zu prüfte, wurde es mir in die Hände gedrückt oder vor mir ausgebreitet, am besten noch mit weiteren Exemplaren zum Vergleich. Prompt verspannte ich mich und konnte gar nicht mehr richtig aufnehmen, was es alles gab.

Um der Situation zu entkommen, entschied ich mich für einen Sarong im erstbesten Stand. Sarongs lassen sich nicht nur auf verschiedene Arten und Weisen tragen, sondern eignen sich auch als Strand-, Hand- oder Halstuch, Bettlaken oder Kopfkissenersatz. Leider war Yoeri bereits von einer anderen Verkäuferin verschleppt worden. Doch meine zögerliche Haltung zeigte in der Verhandlung Wirkung und so verließ ich den Stand statt mit einem Sarong für 150.000, mit Zweien für 100.000. Sowohl ich, als auch die Verkäuferin waren zufrieden.

Kein Entkommen

Nun witterten sämtliche Verkäuferinnen ihre Chance und diejenige, die uns hierher geführt hatte, wetterte über die bodenlose Ungerechtigkeit, dass wir sie übergangen hatten. Auch wieder wahr, also kaufte Yoeri bei ihr einen Sarong. Als wir vier Sarongs und ein Kleid an vier verschiedenen Ständen erworben hatten, verwiesen darauf, dass wir kein Bargeld mehr hätten. Was auch stimmte.

Doch die Ladies waren zu allem bereit. Sie boten an, uns zum Geldautomaten zu begleiten, Sachen für morgen zurückzulegen und sogar, dass wir die Waren sofort mitnehmen könnten und erst am nächsten Tag bezahlen müssten. Auch wenn wir darauf nicht eingegangen sind, waren alle beteiligten Parteien am Ende halbwegs zufrieden.

Das Kleid habe ich übrigens noch nie in Europa getragen. Ich bin nicht die einzige, der es so ergeht. Wenn man sich in Urlaubsländern umsieht, tragen dort reihenweise Menschen mit einem seligen Lächeln im Gesicht Dinge spazieren, die sie Zuhause, selbst am heißesten Sommertag, im Leben nicht anziehen würden.

Meine neue Strategie

Seitdem versuche ich, mir im Vorfeld klar zu machen, was ich denn überhaupt kaufen möchte und was ich bereit bin, dafür auszugeben. Natürlich hängt dies von den Materialien und der Verarbeitung ab, aber eine solche Richtschnur ist mir eine große Hilfe. Häufig wird, wenn nach dem Preis fragt, keiner genannt, sondern es kommt zunächst die Gegenfrage, was man denn bezahlen will.

Wenn sie den genannten Preis sofort freudig annehmen, weiß ich, dass ich es für weniger hätte haben können, ärgere mich aber nicht darüber. Mir war es das Teil wert und ich hielt den Preis für angemessen. Obendrein habe ich noch einen anderen Menschen glücklich gemacht. So konnte ich in den letzten Jahren mit der Situation umgehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Kürzlich in Amed

In unseren zwei Monaten in Amed machten wir freudig von unseren zwei Kochplatten Gebrauch und da die kleinen Supermärkte in Bezug auf frische Lebensmittel nicht sehr viel hergaben, fuhren wir hin und wieder zum traditionellen Markt im Nachbarort Culik.

Das erste Mal schlenderten wir versunken in Farben und Gerüchen durch die offene Markthalle. Am Ende des Gangs war ich hingerissen von der Auswahl des Obsts. Begeistert packten wir Drachen- und Schlangenfrüchte, Orangen, Kiwis, Mangostane und Bananen in unsere Mehrwegbeutel, ohne vorher überhaupt nach dem Preis zu fragen. Doch all diese Köstlichkeiten zusammen erschienen uns günstig.

Erst als mir an einem anderen Stand recht hoch erscheinende Preise für Zwiebeln und Knoblauch genannt wurden, dämmerte es mir, dass es wohl an der Zeit wäre zu handeln. Genervt ließ ich alles stehen und liegen und schloss mich Yoeri an, der auf der anderen Seite des Standes Knoblauch in die verbeulte Aluschüssel einer Verkäuferin legte. Die Mengen waren zu klein, um sie auf der altmodischen Waage mit den Bleigewichten genauer zu bestimmen.

Späte Erkenntnis

Ich beobachtete, wie Yoeri direkt nach einem speziellen Morgenpreis fragte, worauf die Verkäuferin lachte und einen nannte. Er legte Zwiebeln dazu. Gibt es einen speziellen Dienstagsrabatt? Dann noch eine handvoll Chilis. Und was macht das alles zusammen? Die beiden hatten ihren Spaß. Es ging vor und zurück, als würden sie sich Bälle zu spielen.

Ich liebe Spiele, schoss es mir durch den Kopf. Beim nächsten Besuch steuerten wir geradewegs den gleichen Stand an. Das Gesicht der Verkäuferin hellte sich sofort auf und, als ich nun auf Indonesisch nach den Preisen fragte, schenkten sie uns ein breites Lächeln. Unsere Mengen wurden größer und sie war zu einem letzten Spezialpreis für alles zusammen zu haben.

Nicht nur ich taute auf, auch sie begann, uns verschiedene Dinge anzubieten und zu zeigen, was wir nicht kannten oder verstanden. Manchmal riet sie uns sogar von der eigenen Ware ab, wenn sie noch nicht reif genug oder leicht beschädigt war. Wir kauften jedes Mal mehr, als wir vorher im Sinn hatten, und sie legte immer noch etwas als Geschenk obendrauf.

Ein Frage der Einstellung

Wenn es nicht um Lebensmittel geht, ist die Situation natürlich eine andere. Doch ich habe nun endlich begriffen, dass ich mit meiner verbissenen und ablehnenden Haltung, die Situation unnötig auflade und das unangenehme Gefühl selbst erzeuge. Dabei muss ich den betreffenden Gegenstand ja gar nicht kaufen. Zudem dreht sich für mich auch sonst nicht alles nur um den Preis, sondern auch die Fragen, wie und wo etwas produziert wurde, um den Menschen hinter dem Produkt zu sehen und die Auswirkungen im Blick zu haben, die sowohl die Herstellung als auch Nutzung und Entsorgung auf die Umwelt haben. Mir tun immer die Reisenden leid, die sich nur darüber unterhalten, was sie wo bezahlt haben. Wie verläuft eine Reise, wenn mein einziger Maßstab so wenig wie möglich ist?

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