Nur drei Worte, ein Satz, kurz und knackig: Ich bin Fotografin. Lange fühlte ich mich wie eine Hochstaplerin, wenn ich das ausgesprochen habe. Darum habe es dann direkt abgeschwächt oder eingeschränkt und mich damit viel zu lange selbst begrenzt. Nun überwinde ich die Scheu vor diesen Worten, um endlich in meine wahre Rolle als Fotografin hineinwachsen zu dürfen. Das Schönste an diesem Prozess — neben dem Fotografieren selbst — ist, dass ich erkennen darf, dass ich nicht weniger bin sondern so viel mehr, sobald ich es mir selbst erlaube.
Ich bin bestenfalls Hobbyfotografin
Ich bin Fotografin. Warum fiel es mir lange Zeit so unglaublich schwer, das zu sagen? In meiner Vorstellung wurde ich nicht zur Fotografin, indem ich fotografierte und mich in meinem persönlichen Ausdruck stetig weiterentwickelte. Nein, ich wollte die Anerkennung von außen. Entweder jemand würde mich als Fotografin entdecken; mit der entsprechenden Würdigung meiner Leistung würde ich quasi über Nacht zur Fotografin mutieren; oder ich musste einen offiziellen Titel vorweisen können, so legte ich es mir selbst auf.
Da ich weder eine Berufsausbildung noch eine Studium der Fotografie vorweisen konnte, vertiefte ich mich in Büchern und Kursen zum Thema (Wie ich wurde, was ich bin: Mein Weg zur Gründerin von Devocean Pictures). Als ich eines Tages sah, dass das Fotocentrum der VHS Berlin-Kreuzberg, mehrjährige Kurse anbietet, die in ein Zertifkat für Fotografie münden, griff ich zu. Endlich konnte ich der Welt beweisen, dass in mir eine Fotografin schlummerte. Neue Kamera, neues Glück. Kopfüber tauchte ich in die digitale Fotowelt ein.
Es schmerzte, dass ich nach den Grundlagenkursen den Projektkurs nicht absolvieren konnte, da ich auf die Philippinen zog (Endlich richtig abtauchen). Abgesehen von der formalen Bestätigung konnte ich vom Fotocentrum jedoch viel nach Alona Beach mitnehmen. Dort fotografierte ich erst sehr engagiert und motiviert (My long way to underwater photography). Doch obwohl ich sogar bezahlte Fotoaufträge erledigte und Yoeri mich immer bestärkte, dachte etwas in mir: „Du bist bestenfalls eine Hobbyfotografin“ und zügelte damit nicht nur meine Ambitionen sondern auch meine Lust. „Erst wenn du etwas mit deiner Fotografie erreicht hast, dann darfst du dich Fotografin nennen.“ Nur was genau ich eigentlich erreichen musste, verriet mir meine innere Kritikerin nicht. Sie beschränkte sich darauf, mir deutlich zu verstehen zu geben, dass ich nicht gut genug war für die Welt da draußen. Zum Glück meldeten sich irgendwann andere Anteile in mir und stellten die richtigen Fragen: „Stimmt das wirklich? Erschaffen wir uns unsere Welt nicht vielmehr von innen nach außen?“
Ich bin Fotografin
Auch wenn es beim Erschaffen der eigenen Realität viel um Gefühle geht, beschloss ich am Welttag der Fotografie (19. August), mich der Sache erst einmal rational zu nähern. Da Worte mächtig sind, suchte ich nach der Wortbedeutung und siehe da:
Fotografin (Deutsch)
Wortbedeutung.info: Fotografin
Wortart: Substantiv, (weiblich)
Bedeutung/Definition
1) weibliche Person, die sich als Beruf oder Hobby intensiv der Fotografie widmet
Der Duden nimmt es genauer, indem er einen Bezug zum Beruf herstellt: „weibliche Person, die Fotografien (2) herstellt (Berufsbezeichnung).“ Muss also doch noch ein offizielles Zertifikat her oder reicht es, dass ich den ein oder anderen Arbeitsauftrag als Fotografin vorweisen kann sowie eine kleine Auszeichnung (Entwicklung in Zeit und Raum: Trauern mit Fotografie)? Ich habe mich jetzt einfach dafür entschieden, gut genug zu sein und einer breit gefassten Definition zu folgen. Zwei Tage darauf habe ich zum ersten Mal eigene Drucke verkauft. Endlich erlaube ich mir, mich als Fotografin zu fühlen. Ja, ich bin Fotografin. Genau so nutze ich die Kraft und Macht der Worte. Immerhin ist „ich bin“ die stärkste Affirmation, die es gibt (Spring to action: Vom Bild zur Karte mit Affirmation).
Es war ein spannender Prozess und damit meine ich nicht allein diese innere Auseinandersetzung mit dem Thema. Die praktische Umsetzung, eine Auswahl meiner Karten „Warm regards“ hier auf Statia auf Papier zu bannen, verlief noch langwieriger und holpriger, als mir ohnehin erwartet hatte. Doch nun, da ich diesen Weg einmal gegangen bin, werde ich beim zweiten Mal alles so viel leichter und schneller erledigen können. Das ist auch gut. so Denn ich wurde gefragt, ob ich meine Karten nicht in einem Laden auf der Insel anbieten möchte. Na klar will ich. Damit wird die Fotografie zwar noch nicht zum Beruf, aber die Motivation, jetzt viele weitere Karten zu Natur und Kultur der Insel herzustellen, wächst durch diesen äußeren Anreiz enorm.
Ich bin Fotografin und noch so viel mehr
In Bezug auf Devocean Pictures waren unsere Rollen bisher klar, ich fotografiere und Yoeri filmt. Ich hatte übrigens nie Probleme, ihn als Videografen vorzustellen, obwohl er keinen offiziellen Titel hat. Aber erstens ziehe ich mit mir selbst wesentlich härter ins Gericht als mit meinen Mitmenschen und zweitens hat er jahrelange Berufserfahrung und erfüllt damit sogar die Anforderung des Dudens. Doch im Juli wurde Yoeri ganz plötzlich zum Jäger. Das heißt nicht, dass er verspätet meinen Nachnamen angenommen hat, sondern wirklich einen ganz neuen Job an Land gezogen hat. Als er in diese Rolle schlüpfte, musste ich auf einmal Videografin werden. Denn wir hatten einen Filmauftrag von DCNA und STENAPA (Ergebnis gibt es im September).
Muss ich die Fotografin nun, da sie es sich in meinem Kopf so richtig gemütlich gemacht hat, direkt wieder ziehen lassen? Aber nein! Mir ist endlich klar, dass ich mehr sein darf. Daher setzt sich die Videografin einfach mit auf die Coach, wo neben der Fotografin die omminöse Geografin und die olle Tauchlehrerin abhängen und sich sowohl als Netzwerkerin als auch Aktivistin verstehen. Während die Übersetzerin noch Urlaub macht, ist die Bloggerin zurück. Fleißig recherchiert, archiviert, editiert und schreibt sie. Während mir „ich bin Videografin“ leicht über die Lippen kommt — immerhin habe ich sofort an einem bezahlten Auftrag mitgewirkt —, fehlen mir rund ums Schreiben die Worte. Zumindest auf Deutsch. Ich habe keine Hemmungen „I am a writer“ zu sagen. Probier es mal mit „ich bin Erzählerin“, haucht die Übersetzerin aus dem Off. Danke, fühlt sich gut an und bietet mir Raum, mich zu entfalten.
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