Spielen im Schlamm ruft bei mir nicht nur freudige Kindheitserinnerungen wach, sondern wird mit mit „muck diving” gerade glücklich gelebt. Während die balinesischen Kinder lachend und kreischend in den riesigen Pfützen neben und auf der Straße herum planschen, legen wir dafür jedoch unsere Tauchausrüstung an, um nach Schätzen im Schlamm des Meeres zu suchen.

Doch wenn der Untergrund immer wieder aufs Neue aufgewühlt wird und die Wasserläufe neben weiteren Sedimenten auch jede Menge Müll ins Meer spülen, können wir unsere geliebten Kleinstlebewesen nur noch schwer entdecken. Noch schwerer wird es, sie gut abzulichten, wie sich heute auf unserem 15. Tauchgang vor unserer Haustür in der Bucht von Amed gezeigt hat.

Denn seit Tagen hängt ein Sturmtief über Bali. Regen und Wind beginnen jeden Tag früher und peitschen die See auf. Wir wollen natürlich weiterhin tauchen, müssen uns aber wohl oder übel nach alternativen Plätzen umsehen. Denn so vergeht uns der Spaß. Um wieder in die richtige Stimmung zu kommen, möchte ich hier einen Teil der Schätze, die ich bisher geborgen habe, vorstellen, eine Art kleines Best-of „muck diving” (eine etwas andere und größere Auswahl im englischen Blog: Underwater carnival in Amed, Bali). Viel Freude damit!

Vom Tauchen

Es geht alles nach Gefühl. Tauchen bezieht den ganzen Körper und alle Sinne ein und hat dabei ein sehr spielerisches Element (Warum ich tauchen liebe). Auf jeder Tiefe gilt es, die richtige Tarierung zu finden, Atmung und Bewegung auf einander abzustimmen, sich dabei passend zur Strömung oder Dünung auszurichten, um nicht zu viel Luft oder Energie zu verbrauchen. Schließlich wollen wir so lange wie möglich mit unserem 12 Liter Tank voller Pressluft dort unten bleiben. Selbst bei den heute denkbar schlechten Bedingungen kamen wir erst nach 90 Minuten zum Strand zurück und dass, obwohl mich fiese, kalte Aufwärtsströmungen zum ersten Mal in diesem Jahr so richtig zum Frösteln gebracht haben.

Tauchen und Unterwasserfotografie bieten die Möglichkeit, sich selbst und seine Grenzen, das Medium Wasser und die Natur besser kennenzulernen. Nicht nur auf, sondern unter Wasser zu sein, rückt das Dasein ins rechte Licht. Die eignen Sorgen verschwinden in den Weiten des Ozeans. Tauchen ist für uns aktive Meditation, sich dem Moment hingeben, sich an das Meer und die sich dauernd verändernden Bedingungen anpassen (Take a Minute: Visuelle Meditation von einer Minute).

Dabei bin ich nicht nur in meinem Element, sondern mittendrin im Geschehen. Es gibt so viel zu entdecken, so viel zu lernen, so viel zu fotografieren. Immer wieder treffe ich auf mir vorher unbekannte Geschöpfe oder Variationen von Arten. Dieses Suchen und Finden, um zu beobachten und zu dokumentieren, ohne in die Natur einzugreifen, ist neben dem Gefühl der Freiheit und Schwerelosigkeit, das, was bei mir und vielen anderen die Glücksgefühle beim Tauchen freisetzt. Am schönsten ist es, diese Erfahrung mit anderen zu teilen (dazu bald in einem anderen Beitrag mehr).

Schätze im Schlamm und Müll: Muck diving

Im Schlamm zu spielen, war mir ein großes Vergnügen, eine Erfahrung, die ich wärmstens empfehlen kann. „Muck diving” lässt sich mit Schlammtauchen übersetzen, meistens kommt aber der englische Ausdruck zur Anwendung. Auf den ersten Blick wirken Plätze zum „muck diving” oft unbelebt und eintönig, ganz besonders im Vergleich zu Formen und Farben, die uns an Korallenriffen förmlich anspringen.

Sobald sich der Blick einmal an die vermeidliche Einöde gewöhnt und auf tendenziell eher kleine Lebewesen eingestellt hat, schärfen die sandigen, schlickigen und steinigen Habitate die Sinne auf ihre Weise und begeistern durch skurrile Kreaturen. Oft verrät die Bewegung einen Unterwasserbewohner, manchmal auch die Farbe, denn nicht alle setzen auf Tarnung. Zugleich bildet jede Erhebung, egal ob Alge, Federstern oder Stein, eine Möglichkeit ein Tier in Szene zu setzen. Sie legen erstaunliche Verhaltensweisen an den Tag und haben sich zu wahren Spezialisten entwickelt. Aber seht selbst.

Fotostrecke: Meine momentanen Favoriten des muck diving

Fangschreckenkrebs: Der Wächter des Universums

Der junge Fangschreckenkrebs setzt auf knallige Farben zur Warnung. Mit einer Gesamtkörperlänge von ca. 4 cm thront er wie ein Wächter über seinem Bau und wartet auf Beute, die er mit dem schnellsten Schlag im gesamten Tierreich erlegt.

Langhorn-Kofferfisch nimmt dich aufs Korn

Auch der halbstarke Langhorn-Kofferfisch ließ sich von der Kameraausrüstung und blubbernden Tauchern nicht abschrecken, sondern wollte in der Nacht am liebsten direkt unter uns Schutz suchen.

Oktopus: Du kannst nicht vorbei!

Der Oktopus, der seinen weichen Körper mit Muschelschalen schützt, erkannte sofort, dass das Rampenlicht zusätzliche Kleinstgarnelen anlockt, die er dann noch einfacher aus der Strömung fischen konnte.

Costasiella: Total gut versteckt

Die Gattung der Nacktschnecken, Costasiella, hat den Spitznamen „Shaun the sheep”. Sie werden nicht größer als 5 mm und können die Chloroplasten der Algen, von denen sie sich ernähren, in den eigenen Körper einbauen, wo sie dann weiterhin Photosynthese betreiben und die Schnecke mit zusätzlichen Nährstoffen versorgen.

Garnele mit Eiern

Die meisten Garnelen tragen ihre befruchteten Eier mit sich herum. Hier sah es zunächst so aus, als wenn diese Art ihre Eier nur kurzfristig abgelegt hätte, doch weitere Recherchen haben ergeben, dass dies wohl eher nicht der Fall ist.

Seepfeerdchen: Mein Held

„Gewöhnlich” sieht dieses Seepferdchen in seiner schimmernden Rüstung eigentlich nicht aus, so dass Hippocampus kuda stattdessen auch „Gelbes Seepferdchen” oder „Krönchen-Seepferdchen” genannt wird.

Euselenops: Die helle Seite des Mondes

Euselenops luniceps hat den Namensgeber wohl in mehrerer Hinsicht an ein Mondgesicht erinnert. Diese Schnecke zieht sich während des Tages in den Sand zurück, so dass nur noch die Spitzen der Sinnesorgane aus dem Untergrund hervorschauen, wodurch die mondgesichtige Euselenops atmen und Futter wahrnehmen kann.

Furchengarnele: Balanceakt

Die Furchengarnele tänzelt elegant über den Arm eines Federsterns, mit dem sie in einer Symbiose lebt. Im Federstern kann sie sich verstecken und gleichzeitig ist für gute Verpflegung gesorgt, da sich beide von Plankton ernähren und der Federstern gegebenenfalls den Standort wechseln kann.

Junger Rotfeuerfisch schwingt die Flossen

Dieser junge Rotfeuerfisch in der zarten Größe von vielleicht 1,5 cm zeigt bereits die prächtige Farbgebung dieser Fische, die einen ganz praktischen Nutzen hat. Mit weit gespreizten Brustflossen treiben sie ihre Beute in die Enge, um dann plötzlich ihr Maul vorzustülpen und ihre Mahlzeit so einzusaugen.

Sepia: In tiefer Meditation

Eine Sepia kann nicht nur, wie alle Tintenfische, die Farbe und Textur der Haut durch verschiedene Pigmentschichten, die mit Muskeln und Nerven verbunden sind, verändern, sondern kann auch ein einmal erzeugtes Aussehen über längere Zeit aufrecht erhalten, ohne dafür weitere Energie aufwenden zu müssen. Vielleicht wirkt sie deshalb so entspannt.

Bedrohte Meere

Leider sind diese Lebewesen und ihre Habitate ebenso wie Korallenriffe von Veränderungen wie dem Anstieg der Wassertemperatur, zunehmenden Nährstoff-, Schadstoff- und Sedimenteinträgen, Zerstörung durch Bauen oder Fischen, aber auch rücksichtslose Taucher und andere Wassersportler bedroht. Am meisten sichtbar, gerade während der jetzigen Regenzeit auf Bali, ist jedoch der Plastikmüll, der mit jedem Regenguss ins Meer gespült wird. Die Unterwasserlebewesen versuchen das Beste daraus zu machen und nutzen Flaschen und Dosen als Unterschlupf, wenn sie keine geeigneten Muscheln oder dergleichen finden können (Die Magie des Oktopus und die Faszination Manta).

Müll aus Europa auf Bali

Wir gehen vor unserer Haustür nicht nur regelmäßig tauchen, wir sammeln auch Müll. Wenigstens ein Stück des Strandes oder sonstiger Natur sauber zu halten, aber vor allem möglichst wenig eigenen Plastikmüll zu produzieren, machen wir uns nicht nur auf Bali zur Aufgabe (Keep you plastic and clean up the rest). Es ist erschreckend, dass Plastikmüll aus Deutschland noch immer zum Recycling in Länder wie Indonesien verschickt werden kann. Auch wenn diese sich zunehmend wehren, gelangen weiterhin verunreinigte und schlecht sortierte Abfälle illegal im Land. Im Zweifelsfall landen diese Müllexporte auf offenen Deponien, die in Deutschland schon lange verboten sind. So finden immer wieder auch deutsche Verpackungen ihren Weg in den Indo-Pazifik.

Ab 2021 gelten strengere Regeln für den weltweiten Handel mit Müll (z. B. ZDF Nachrichten vom 5. Oktober 2019). Doch da erst ab 2030 alle Plastikverpackungen in der EU aufbereitet werden sollen, steht zu befürchten, dass der internationale Müllhandel nur auf andere Länder mit weniger strengen Kontrollen ausweichen wird (z. B. Frankfurter Rundschau 27. August 2019).

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