Irgendwie dreht es sich bei uns in der letzten Zeit viel um Hunde. Wir füttern sie, gehen mit ihnen spazieren, streicheln sie und spielen mit ihnen. Hin und wieder laden wir ein paar zu uns nach Hause ein, so eine Art Tagesausflug von ihrem Zuhause in der St. Eustatius Animal Shelter Foundation (SEAWF). Es gibt auch Katzen beim Tierheim auf Statia. Doch waren sie weniger sichtbar. Wir nehmen sie nicht für einen Tag nach Hause, so dass es keine so guten Fotos oder Videos gibt. Doch neben dem Filmen und Fotografieren (Ich bin Fotografin) liebe ich das Schreiben. Diese Geschichte handelt von einer Katze. Sie kommt von Herzen. Denn dort haben sowohl Katzen als auch Hunde Platz.

Gewöhnen kann man sich bekanntlich an Vieles, muss man aber nicht. In unseren drei Jahren als Dive Experience Managers in Wakatobi wogen wir immer wieder ab: Gehen oder bleiben. Nach den ersten Monaten hätten wir jederzeit unser Glück woanders suchen können, was uns die innere Freiheit schenkte, uns von der „Normalität” des Resortlebens weder einlullen, noch unterkriegen zu lassen. Nur als kleine Randbemerkung, das Leben im Urlaubsparadies ist nicht so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt (Im Paradies verloren). Außerdem habe ich es noch nie so lange auf ein und dieselben Arbeitsstelle aushalten können, was ganz eindeutig für dieses Resort und ganz besonders das Tauchen spricht (Unter Schutz stellen). Es gab also durchaus Gründe, die für unseren längeren Verbleib in diesem indonesischen Tauchresort sprachen, und einer davon war eine rot-weiß getigerte Katze.

Alles für die Katz

In unserer zweiten Woche im Jahr 2016 übernahm die kleine Spanierin, die jeden Abend – auch nach vier Tauchgängen – noch Gewichte stemmte oder joggen ging, für einen Tag meine Einarbeitung. Laut Paula gab es immer irgendetwas zu tun. Jede noch so kleine Aufgabe rund um das Tauchzentrum nahm sie sehr ernst und führte sie penibel aus. Ich freute mich, dank ihrer gründlichen Einführung alle Beschäftigungsoptionen kennenlernen zu dürfen.

Paula hatte viele Jahre im Resort verbracht, erst mit ihrem Freund, dann ein Jahr alleine. Jetzt wollte sie jedoch weiterziehen und ihr eigenes Tauchzentrum auf Nusa Lembongan eröffnen. Ihr einziges Problem war die Katze, die mit ihr zusammen lebte. Prinzipiell wollte Paula die Katze mitnehmen. Es ist in Indonesien jedoch nicht erlaubt, ein Tier von einer Insel zur anderen zu transportieren. Da fast eintausend Kilometer zwischen der Region Wakatobi im Südosten Sulawesis und Nusa Lembongan, einer kleinen Nachbarinsel von Bali, liegen, musste sie zudem mit dem Flugzeug umziehen, was Schmuggeln äußerst schwierig gestaltet hätte.

Natürlich gibt es immer Mittel und Wege und genau über diese Möglichkeiten wollte sich Paula mit unserer japanischen Kollegin, der einzigen Ausländerin, die noch länger im Resort lebte als Paula selbst, austauschen. Wahrscheinlich war Shoko darüber hinaus auch die Einzige, die genauso gewissenhaft arbeitete wie Paula, nur erledigte sie alles in einer solchen Ruhe, dass es die Wenigsten mitbekamen. Bedächtig säuberte sie die Ladeanschlüsse der Tauchlampen, während Paula das Zubehör in Boxen sortierte. Da ich meine Ausbildung ernst nahm, schaute ihnen aufmerksam zu.

Katz und Haus

Für Shoko war der Fall der Katze klar. Es war verboten, also machte man es nicht. Kein Grund, weiter darüber zu reden. Paula wollte sich nicht damit abfinden und jammerte vor sich hin. Prinzipiell hätte ich nichts gegen einen ausgefeilten Plan zum Katzenschmuggel gehabt, kannte mich aber im Zielgebiet nicht hinreichend aus. „Wie sieht es denn auf Nusa Lembongan aus? Gibt es viele andere Katzen oder gar Hunde?” wollte ich wissen. „Was ist mit Motorrädern?” Solche Gefahren kannte die Katze doch gar nicht. Sie lebte, von dem grauenvollen Namen Georgina abgesehen, offensichtlich ganz glücklich und zufrieden in höchst sicheren und entspannten, um nicht zu sagen, paradiesischen Zuständen.

Katzen sind territorial und viel weniger an Menschen gebunden, als wir das gerne hätten, war meine Meinung. „Wenn du die Katze mitnimmst, tust du ihr damit keinen Gefallen, du machst das alleine für dich.” Paula riss ihre Augen auf. Vielleicht hätte ich die Botschaft etwas netter verpacken sollen. Kein Wunder, dass einige Kollegen sich fürchteten, die Deutschen nach ihrer Meinung zu fragen und sei es nur so etwas Simples wie: „Wie war das Tauchen?”

Immerhin rückte Paula nun damit heraus, dass die Katze vor ihr bereits eine andere Mitbewohnerin hatte. „Da hast du es,” kombinierte ich, „finde einfach jemanden, der sich um Georgina kümmert.” Schon wieder schaute mich Paula mit ihren großen Augen an. „Aber wen denn?” Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob sie dieses Thema ganz bewusst in meiner Gegenwart angeschnitten hatte. Shoko lebte bereits mit einem fetten Kater, von allen nur Muffin genannt. Nichtsdestotrotz versprach ich Paula, dass ich Yoeri fragen würde, ob wir die Katze zu uns nehmen könnten. Ihn zu erweichen, war der leichteste Teil des gesamten Adoptionsprozess‘.

Das Vorspiel

Langsam führte uns Paula in die Welt der Katze ein. Georgina war eine relativ schlanke, rot-weiß getigerte Katze, eine eher seltene Farbgebung unter den weiblichen Mitgliedern der Familie Felidae. Als weitere Besonderheit hatte sie einen langen, fast komplett geraden Schwanz, nur das allerletzte Stückchen, vielleicht ein Zentimeter, war zur Seite abgeknickt, was ihm ein wenig die Form eines Fragezeichen verlieh. Auf Inseln kommt es zu recht ausgeprägtem Inzest unter den Haustieren und als erste genetischen Defekte schleichen sich bei der Katzenpopulation deformierte Schwänze ein. Viele Touristen denken fälschlicherweise, dass die Tiere misshandelt wurden, denn manche haben quasi gar keinen Schwanz oder eine Art verdrehtes Knäuel.

Von Katze adoptiert: Unser Maumau, eine rot-weiß getigerte Katze mit weißen Pfötchen räkelt sich auf dem Bastsofa mit Sarongüberwurf im Wakatobi Dive Resort (Sulawesi, Indonesien)

Paula nahm die lokale Schönheit auf dem Sandpfad vor ihrem Haus auf den Arm, damit wir die Katze streicheln konnten. Nach ein paar Tagen der Annäherung wurden wir eingeladen, die beiden Zuhause zu besuchen. Sie erklärte ausführlich, wie sie die Katze versorgte und was es alles für sie gab. Von Snacks über Medikamente und Katzenbürsten bis zu Trockenfutter würde Paula uns alles überlassen. Nur ein paar Monate zuvor war Georgina — sie verkürzte den Namen nicht einmal, wenn sie die Katze rief — sterilisiert worden, so dass die zwei großen Kater, die ein paar Häuser weiter lebten, ihre einzigen Kinder bleiben würden.

Als ein Tierarzt das Resort besuchte, hatte Paula es tatsächlich geschafft, ihn zu überreden, eine Operation durchzuführen. Eine Tauchlehrerin, die in ihrem vorherigen Leben Tierarzthelferin gelernt hatte, assistierte dabei. Das Krankenzimmer des Resorts war immer sehr gut ausgestattet, wobei es nur örtliche Betäubungsmittel gab. Das Narkosemittel muss Paula also anderweitig besorgt haben, da Tierärzte nicht grundsätzlich mit Ketamin durch die Gegend reisen. In jedem Fall bekamen wir eine voll versorgte und ausgestattete Katze.

Katze mit Anleitung

Doch das war nicht alles. Georgina liebte es, gebürstet zu werden. Es hatte sich zu ihrem Ritual entwickelt, dass Paula die Katze bürstete, wenn Georgina fraß. Mittlerweile fraß die Katze nicht mehr, wenn sie nicht gebürstet wurde. Dies machte Paula nicht nur morgens und abends, sondern stand auch mitten in der Nacht auf, wenn die Katze miaute und bürstete brav, bis Georgina genug gefressen hatte und sich schlafen legte. Nun verstand ich, warum sie den Namen immer ganz aussprach, so gebührt es einer Königin.

Ich schaffte es, diese Aus- und Vorführungen nicht zu kommentieren. Mein Gesicht konnte Paula nicht sehen, da sie die Katze bürstete, die in aller Seelenruhe fraß und mir hin und wieder verstohlene Blicke zuwarf. Paula würde für eine Woche auf das Safarischiff gehen. In dieser Zeit würden wir die Katze füttern. Dadurch lernte sie vielleicht schon einmal, dass nachts niemand für sie parat stand. Zurück in unserem Zimmer stellte ich klar, dass ich nicht springen würde, wenn die Katze miaute und ganz bestimmt nicht mitten in der Nacht. Ohnehin war es doch absurd, dass sie nicht fraß, wenn sie nicht gebürstet wurde. Wir einigten uns darauf, diesen Zirkus fürs Erste mitzumachen.

Erste Annäherung

So überstanden wir unsere Probezeit, sowohl für die Stelle als auch für die Katze, und zogen, nachdem Paula am Morgen die Insel verlassen hatte, noch in der Mittagspause bei der Katze ein. Georgi glänzte erst einmal durch Abwesenheit. Irgendwann am Abend miaute es dann vor der Tür, obwohl eins der Fenster extra für sie offen stand. Da wir nicht zu hartherzig erscheinen wollten, öffneten wir ihr die Tür. Den erhobenen Schwanz leicht von links nach rechts und zurück schwenkend spazierte sie herein und inspizierte in ihren weißen Stiefelchen das Zimmer. Dabei schnüffelte sie hier und da und versuchte gar nicht erst zu verbergen, dass dies — also unsere Anwesenheit — eine höchst unerfreuliche Angelegenheit war.

So einen Quatsch hätten wir zu Beginn niemals gewagt. Sie war auch später „not amused“.

Nach einer Weile ließ sie sich demonstrativ vor ihrem Futternapf nieder. Als nichts passierte, stieß sie ein kurzes Miauen aus. Ich machte deutlich, dass dies eine höchst unerfreuliche Angelegenheit war, indem ich mich zum Lesen auf die andere Seite dreht. Daraufhin verlängerte sie ihr Miauen mit jedem Einsatz ein wenig mehr. Nach einer Weile opferte sich Yoeri und bürstete die Katze, worauf sie gierig zu fressen begann. Tage später fand auch ich mich auf dem Boden sitzend, ausgiebig die Katze bürstend, damit sie in Ruhe fressen konnte. Immerhin sind wir nicht nachts aufgestanden.

Beziehungsfähig

Jenseits dessen wollte sich die Katze nicht streicheln lassen. Einen Monat tolerierte Unser Hochwohlgeboren unsere Anwesenheit. Dann mussten wir für eine Woche auf Bali, um unsere Visa zu verlängern (Visaverlängerung: Service mit Hindernissen). Die Katze zeigte sich über unsere Abwesenheit und Rückkehr relativ unbeeindruckt, doch bereits kurz darauf gingen wir für zwei Wochen auf das Safarischiff.

Obwohl sich in dieser Zeit unsere Nachbar*innen, genauso wie in der Woche auf Bali, um die Katze kümmerten, schaffte sie es diesmal nicht, ihre Begeisterung über unsere Rückkehr zu verbergen. Sie schlich uns um die Beine, wollte noch mehr gebürstet werden und sprang schließlich auf unser Bett, um sich zum Schlafen anzukuscheln. Vielleicht lag es daran, dass der fette Kater von nebenan gerade auf Diät war und heimlich ihr Trockenfutter verspeiste. Vielleicht lag es daran, dass wir neuerdings Fisch aus der Kantine für sie mitbrachten. Wie dem auch sei, kurze Zeit später begann sie, uns in ihre Jagdtechniken einzuführen (Als Yoeri den Wachhund klaute).

Von Katze adoptiert

Außerdem folgte sie uns zum Tauchzentrum, zur Kantine oder dem Restaurant, um dann noch lange auf dem Weg sitzen zu bleiben, den Schwanz adrett um sich geschlagen, und uns wehmütig hinterher zu maunzen. An manchen Tagen war ihr Miauen so herzzerreißend, dass sich Gäste um diese Katze Sorgen machten. Alle anderen wussten, dass man ihr bloß nicht zu nahe kommen sollte. Selbst wenn sie sich einladend über den Sand rollte, wollte sie ganz und gar nicht von fremden Menschen angefasst werden. Wenn wir einen anderen Pfad als Heimweg einschlugen, musste einer von uns anschließend die vorherige Strecke ablaufen und sie rufen, damit sie freudig miauend fast in einer Art Tanzschritt angehopst kam. Typisch Katze halt!?

Selbstverständlich riefen wir sie nicht Georgina, sondern schlicht Puss oder ihrer Fellzeichnung und Verhalten entsprechend „Harimau“, was „Tiger“ auf Indonesisch bedeutet. Mit der Zeit verkürzten wir es zu Mau, nur um dann durch eine doppelte Nennung des Wortes, die im Indonesischen häufig vorkommt, wieder zu verstärken. Meistens imitierten wir einfach ihr Miauen und verständigten uns so zu allgemeiner Zufriedenheit. Über die Zeit wurde die Palette von Tönen, die beide Seiten nutzten, immer ausgefeilter. Mau war dabei nicht nur die kürzeste Form unseres Repertoires, mal kurz mit fragender Intonation vorgebracht, mal langgezogen fordernd, sondern bedeutet auch „wollen” in Indonesisch. Maumau stand also passenderweise für will-will und irgendetwas wollte die Katze eigentlich immer und sei es nur, in Ruhe gelassen zu werden.

Wenn ich alleine zum Strand ging, begleite sich mich ein Stückchen, verabschiedete sich für gewöhnlich aber spätestens auf halben Wege mit einem Maunzen. Dann saß sie aufrecht im Schatten eines Tempelbaums, während ihr Schwanz im Sand hin und her zuckte, bis ich auf dem muschelgesäumten Weg hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Vermutlich saß sie noch länger da. Vielleicht genoss sie den Duft der Frangipaniblüten, die die Tempelbäume das ganze Jahr über hervorbringen, genauso sehr wie ich.

Unsere Freundin und Helferin

Sobald Yoeri und ich gemeinsam zum Strand gingen, wollte unsere Katze mit. Geschickt nutzte sie das üppige Grün, um nicht offen auf dem Sandpfad gesehen zu werden. Angestellte und Gäst*innen zwangen sie manchmal, nicht nur in Deckung zu gehen, sondern gleich ihr ganze Mission abzubrechen. Nicht, dass es ihr am Strand gefallen hätte, ganz im Gegenteil, die große offene Sandfläche an sich war schon abschreckend genug. Sie fragte sich sicher, was wir in der größten Katzentoilette, die die Welt je gesehen hat, zu suchen hätten. Vielleicht wollte sie uns auch warnen. Das Meer war ihr schließlich ganz und gar nicht geheuer. Zum Glück passte sie gut auf uns auf.

Wenn keine nervigen Mitmenschen in der Nähe waren, wagte sie sich bis unter die Bäume nah am Wasser, wo für kurze Zeit eine Hängematte so paradiesisch im Wind baumelte (Im Paradies verloren). Dort miaute so herzzerreißend, dass wir immer weiter hinausschwammen, um die Klagelaute nicht mehr zu vernehmen. Einmal nutzte sie die Seite des Strands, um ihr Geschäft zu erledigen.

Anschließend schlich sie sich wagemutig in die große Sandwüste. Dazu robbte sie platt am Grund entlang, spähte leicht hektisch nicht nur um sich, sondern auch nach oben. In jeder Richtung lauerte Bedrohung. In dieser konzentrierten Anspannung schob sie sich den Strand entlang in unsere Richtung. Das Unangenehmste schien dabei der Sand selbst zu sein, in den sie für ihren Geschmack viel zu tief einsank. Immer wieder stoppte sie und schüttelte eine Pfote aus. Aber es nahm kein Ende. Wir konnten uns das Lachen nicht verkneifen, erlösten sie aber bald aus ihrem Elend.

Ein andermal gingen wir nachts zum Strand, um Kerzen zu entzünden. Im Dunkeln fühlte sie sich sichtlich wohler, obwohl es sie noch immer nervte, wie ihre Pfötchen im Sand einsankten. Wir saßen einen Moment Arm in Arm da, in stilles Gedenken versunken, als mich Maumau auf einmal in den Arm biss. Okay, zwickte, bei uns biss sie nicht mit voller Kraft zu. Aber sie wiederholte diese Liebesbekundungen an verschiedenen Stellen, bis sie wirklich an meiner Hose zerrte. Für ihren Geschmack waren wir nun lange genug in freier Wildbahn unterwegs gewesen. Gerne wollte sie mir Trost spenden, aber so etwas machte man Zuhause in seinem Bett (Entwicklung in Zeit und Raum: Trauern mit Fotografie).

Mit Vorliebe

Mittlerweile fraß Maumau auch ganz genüsslich, ohne gebürstet zu werden. Hin und wieder gaben wir uns dem Ritual hin, aber seit wir begonnen hatten, ihr Trockenfutter mit Fisch aufzupeppen, war wenig Überredungskunst nötig. Wobei sie nicht allen Fisch mochte. Lachs und jegliche Meeresfrüchte verschmähte sie komplett. Thunfisch war nicht gern gesehen, am liebsten war ihr eigentlich der gegrillte Fisch der lokalen Kantine, gerne auch leicht angebrannt und ohne unnötigen Schnickschnack an Panade, Gewürzen oder Soße. Diesen Fisch fraßen auch die übrigen Resort-Katzen gerne, allerdings bekamen sie dazu Reis serviert.

Von Katze adoptiert: Unser Maumau, eine rot-weiß getigerte Katze mit weißen Pfötchen und weißer Brust frisst Trockenfutter mit Fischzusatz aus einem roten Napf , der in einer blauben Schale mit Wasser steht, im Wakatobi Dive Resort (Sulawesi, Indonesien). Terrakottta Fliesen, Bastkorb für die Wäsche, weiße Wand, Holztür und Kleiderschrank.
Ein schnelles Handyfoto um stolz Paula zu zeigen, dass die Katze ganz selbstständig isst.

Womit man keine der lokalen Katzen begeistern konnte, waren Spielzeuge. Den Laserpointer hatte Maumau keines Blickes gewürdigt, also dem Lichtpunkt, dem komischen Ding in unserer Hand schon, denn das ließ sich hervorragend über den Boden schleudern. Nach einer Feder an einer Schnur schlug sie ein paarmal, um dann zu verfolgen, wohin diese Schnur eigentlich führte und sich auf die Rute und die Hand, die sie hielt, zu stürzen.

Zum Spielen gab es Mäuse oder aber genügend Bäume in ihrem Garten. In ihren wilden fünf Minuten hechtete sie auf die erstbeste Palme, rannte anschließend in einer irrsinnigen Geschwindigkeit Kopf voran wieder hinunter, um den nächsten Baum in gleicher Manier einzunehmen und den nächsten und den nächsten. Manchmal raste sie dabei über die Dächer, damit auch die Nachbarn mitbekamen, wie gut sie dies beherrschte.

„Dieses Tier ist nicht normal,“ sagte Yoeri. „Genau darum passen wir einfach so gut zusammen.“ Diese Katze hatte sowohl ihren eigenen Kopf als auch Verhaltensweisen und Eigenheiten, die eher anderen Lebewesen zugeschrieben werden. Dafür liebten wir sie umso mehr. Es gab Phasen, da schlief sie jede Nacht in unserem Bett und solche in denen sie sich kaum blicken ließ. Für einige Monate rollte sich Maumau Nacht für Nacht auf einem Ende meines Kopfkissen zusammen. Wir schliefen überraschend friedlich. Dann wollte sie lieber an meinen Bauch gekuschelt schlafen und eine Zeitlang immer zwischen uns liegen, wobei mindestens eine Pfote Körperkontakt halten musste. Ich machte alles mit, war regelrecht vernarrt in dieses getigerte Wesen.

Der Menschenschreck

Da ich wusste, dass wir nicht ewig in Wakatobi blieben würden, prüfte ich jede*n neue*n Kolleg*in im Stillen darauf, ob sich er oder sie als mögliche*r Mitbewohner*in für unsere Harimau eignete. Ein Paar hatte bereits einen Kater, wegen dem sie nie gleichzeitig in Urlaub führen. Eine andere war Katzennärrin, wohnte aber direkt neben den beiden Söhnen von Maumau. Familie ist schön und gut, aber man muss sich nicht zu sehr auf der Pelle sitzen. Außerdem passte diese britische Kollegin charakterlich nicht zur Katze, wie ich fand.

Maumau machte die Sache auf ihre ganz eigene Weise klar. Eines schönen Spätnachmittags ließ sie sich die Sonne auf den Pelz scheinen, rollte dafür ab und zu von links nach rechts und zurück. Aus der Ferne blinzelte sie uns zu und streckte ihren weißen Bauch in die Sonne. Plötzlich griffen fremde Frauenhände nach ihr und hoben sie hoch, um sie an die Brust zu drücken. Vielleicht sagte die arglose Engländerin so etwas in der Art „Was bist du denn für eine Hübsche”, vielleicht blieben ihr die Worte auch im Halse stecken, denn unsere Harimau fackelte nicht lange. Da dies nicht die Hand war, die sie fütterte, biss sie kräftig zu. Ein Schrei. Ein Wurf.

Nachdem die Katze sicher auf ihren vier Pfoten gelandet war, hob sie bedrohlich die rechte Pfote. Die Augen der Engländerin weiteten sich. Nach einer Art Quieken sprang sie mehr als dass sie lief und sah sich immer wieder ängstlich um. Maumau tänzelte hinter ihr her, bis sie in ihrem Bungalow verschwand. Daraufhin ließ sich die Katze in der Mitte des Sandpfads nieder und leckte sich kurz beide Pfoten, um anschließend stolz erhobenen Schwanzes zu uns zurückzukehren. Wir konnten nicht anders, als sie zu loben.

So ein Schauspiel bekommt man schließlich nicht alle Tage geboten. Ab diesem Zeitpunkt aber immer mal wieder. Dabei kam die Engländerin nicht im Traum darauf, Maumau noch einmal anzufassen. Doch wann immer die Katze sie anvisierte, nahm sie die Beine in die Hand und wir winkten ihr freudig von unserer Veranda aus zu. Im Laufe der Monate erfuhren wir, dass sie nicht die Einzige war, die unsere Katze vor sich hertreiben konnte. Manche eilten nur als Zweierteam an unserem Bungalow vorbei, nicht ohne hektische Blicke um sich zu werfen, denn es gab ausreichend Grün für einen Hinterhalt.

Nicht von Katze adoptiert

Die tierliebste Kollegin des Resorts bevorzugte Hunde und pflegte Vögel gesund. Dagegen hätte Maumau nichts einzuwenden gehabt, doch eigentlich hatte sie sich selbst passende Mitbewohner*innen ausgesucht. Sie schlief manchmal auf dem Stuhl draußen vor ihrer Hütte. Leider wollte die Italienerin kein Haustier, da sie fürchtete dann nie wieder weg zu können. Alle Versuche ihr zu erklären, dass Maumau nicht gerne als Haustier bezeichnet würde, sondern dass sie unter Umständen bereit war, eine temporäre Wohngemeinschaft zu gründen, die sie alle genießen könnten, solange es eben passte, fruchteten nichts.

Obwohl wir in unseren drei gemeinsamen Jahren immer wieder für längere Zeit weg waren, spürte Maumau sehr früh, dass es diesmal anders war. Verständlicherweise nahm sie uns das übel. Sie glänzte durch Abwesenheit, ließ sich nicht mehr streicheln und miaute mal in kurzen leisen Folgen, mal in einem langgezogenen Klagelaut.

Wie gerne hätte ich sie mitgenommen. Doch wohin? Wir würden ja nicht dauerhaft an einem Ort bleiben. In Deutschland gab es nur eine Wohnung mit Balkon und in den Niederlanden bereits einen Hund und zwei Katzen. Abgesehen von dem ganzen Papierkram, der dafür zu erledigen wäre, müsste die Katze länger in Quarantäne als zwei Wochen. Bestimmt wäre es möglich. Doch als ich mich in diesem kleinen Tropenparadies umschaute, erinnerte ich mich daran, was ich Paula damals gesagt hatte. Maumau gehörte hierher. Sie genoss ein gutes Leben und würde immer jemanden finden, der sich ihrer annahm, für den Beginn Lisa.

Die indonesische Kollegin wohnte gegenüber von uns, so dass wir sie nach und nach mit der Katze bekannt machen konnten. Das Gute war, dass sich Lisa über Gesellschaft sehr freute, manchmal ein wenig zu viel und zu überschwänglich. Doch in solchen Momenten konnte die Katze Reißaus nehmen. Wir überließen Lisa nicht nur alles, was Maumau besaß, sondern auch viele andere kleine Dinge, mit denen ich uns das Leben in unserer kleinen Unterkunft angenehmer und schöner gestaltet hatte.

Abschied nehmen

Als wir am letzten Morgen mit unserem restlichen Gepäck das Häuschen verließen, konnte ich mich noch nicht verabschieden. Bis das Boot mich in ein neues Leben tragen würde, kam ich zurück, wieder und wieder. Beim letzten Mal brach ich endgültig in Tränen aus, woraufhin mich Maumau in die Hand biss, nicht wirklich fest, aber mit Nachdruck. Im Weggehen schaute ich ein letztes Mal zurück, um ihr, die unter einer Palme in einem Fleckchen Sonne saß, ein Küsschen zuzublasen. Während das Flugzeug uns immer weiter nach Westen trug, befühlte ich den Abdruck, den ihre Zähne hinterlassen hatten.

Ich wusste, dass das, was ich neben dem Tauchen an diesen sagenhaften Riffen am meisten vermissen würde, diese kleine Katze ist, die nach ihren eigenen Regeln lebt, aber doch bereit ist, sich auf ihre Mitbewohner*innen einzustellen. Hin und wieder frage ich meine früheren Kolleg*innen, wie es ihr geht. Ich frage mich selbst, ob sie ab und zu an unsere schöne Zeit denkt.

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Um auch die Sache mit dem Tauchen verständlich zu machen: Alle Aufnahmen zeigen Wakatobi und Lembeh, Indonesia, 2018-2019.

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